Stolz, aber bescheiden: Juniorchef führt Familientradition der Gießerei Brockscheid fort

Brockscheid · In ganz Deutschland gibt es nur noch vier Glockengießereien. Eine davon steht in der Eifel. Ihr Fortbestand ist gesichert, denn der 25-jährige Juniorchef ist in den Betrieb mit eingestiegen und arbeitet an seinem Meisterbrief.

 Juniorchef Julius Maas prüft den Klang einer Glocke. TV-Fotos (2): Christina Bents

Juniorchef Julius Maas prüft den Klang einer Glocke. TV-Fotos (2): Christina Bents

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Sein erster Glockenguss wird Julius Maas immer in Erinnerung bleiben. Mit zwölf Jahren durfte er das erste Mal aktiv dabei sein. "Es war damals mein erster und der letzte von meinem Opa", erklärt er ein wenig nachdenklich.

Julius Maas ist ein Mann, dem man von seiner Statur her durchaus zutraut, dass er gut zupacken kann. Und das muss er - denn der Beruf des Glockengießers ist oft schwere und manchmal dreckige Arbeit.

Das macht dem Eifeler nichts aus. Er sagt: "Das macht den Reiz aus." Bei seiner Arbeit könne er kreativ sein, mit den Auftraggebern die Gestaltung der Glocke entwickeln, habe mit allen Materialien zu tun, mit Holz für die Joche, mit Schmiede und Schlossergewerken und Elektrik. "Da darf man keine Angst vor schwerer körperlicher Arbeit haben."Er schwärmt vom Dicken Pitter


Als Sohn von Cornelia Mark-Maas, der ersten und einzigen Glockengießermeisterin in Deutschland, ist er mit dem Handwerk groß geworden. "Ich wollte das gerne machen, da hat mich keiner hingetrieben", berichtet er ganz selbstverständlich. Für ihn sei das ein Beruf, den er mit Herz und Seele macht. Er ist, wie er selbst sagt, "nicht von Glocken besessen".

Beeindruckt hingegen ist er vom "Dicken Pitter", der mit 25 Tonnen schwersten Glocke im Kölner Dom, und wenn er mal nach Russland käme, würde er sich die Zarenglocke auf dem Roten Platz in Moskau anschauen. Die ist mit 196 Tonnen, die schwerste der Welt.

Die größte Glocke, die er selbst gegossen hat, hängt in Salzwedel mit 2,8 Tonnen. Die Kleinste hatte drei Kilo und war für den Privatgebrauch. Stolz ist er aber nicht nur auf die eigene Leistung, sondern auf die der Familie: Die sechstgrößte Glocke im Kölner Dom, die dem heiligen Josef geweiht ist, kommt beispielsweise aus der Gießerei seiner Vorfahren und wurde 1989 gegossen.

Im Mindener Dom haben sie ein Glockengeläut gefertigt, das aus 13 Glocken zwischen 5,5 Tonnen und 100 Kilogramm besteht, und das laut eines Glockensachverständigen zu den schönsten Geläuten Deutschlands gehört.
Welche Tonhöhe eine Glocke hat, richtet sich nach ihrer Größe und ihrer Form. Nach dem kniffligsten Arbeitsschritt beim Herstellen einer Glocke gefragt, antwortet der Experte Maas: "Beim Herstellen gibt es viele Situationen, in denen man sehr konzentriert sein muss, aber das Verfahren ist so ausgereift, dass es da wenige knifflige Momente gibt." Spannender sei vielmehr die Frage, wie man die Glocke in den Turm bekommt.

Die Darstellungen von Heiligen oder Kreuzen, die auf den Geläuten zu sehen sind, kommen teilweise von alten holzgeschnitzten Formen, die seit vielen Generationen im Familienbesitz sind. "Die könnte man so heute gar nicht mehr herstellen, das wäre unbezahlbar." Am häufigsten wird die Mutter Gottes verewigt. Eine solche Muttergottesglocke hängt auch in der Wallfahrtskirche Klausen. In der Region wurden die letzten Glocken nach Salm im Vulkaneifel-Kreis geliefert.

In die Zukunft sieht der 1,83 Meter Mann, der in seiner Freizeit gerne Wintersport macht, gelassen. "Glocken werden immer gebraucht", sagt er überzeugt. Dabei weiß er natürlich, dass sich die Zeiten geändert haben und nicht mehr so viele Kirchen mit neuem Geläut ausgestattet werden. In den vergangenen Jahren haben sie beispielsweise nach Brasilien, Indonesien und Afrika geliefert, wo neue Gotteshäuser gebaut wurden. "Es ist unterschiedlich: Dieses Jahr kommen wir fast kaum nach mit dem Glockengießen, so viele Aufträge haben wir. Im vergangenen Jahr war es etwas ruhiger", so Maas.

Die Firma hat rund 800 Kunden, bei denen sie sich um die Wartung und Instandhaltung der Glocken kümmern. Meist sind es Risse, Motoren, Aufhängungen, Lager oder Klöppel, an denen gearbeitet wird. In den vergangenen Jahren hätten sie auch viele Glocken vermittelt und umgehangen, etwa von einer geschlossenen Kirche in eine, die noch eine Stahlglocke hatte. "Zudem bauen wir Glockenstühle, Joche, Jalousien und haben ein großes Ersatzteillager", so der Glockengießer. Besondere Momente sind für ihn immer noch die Glockenweihen, "wenn die ganze Gemeinde die Glocke bestaunt und die Arbeit würdigt." Daran hätte mit Sicherheit auch der Opa immer noch Freude. Stolz wäre er allemal auf seinen Enkel.Extra

 Hunderte Motive, um die Glocken individuell zu gestalten, hat die Gießerei.

Hunderte Motive, um die Glocken individuell zu gestalten, hat die Gießerei.

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Insgesamt gibt es noch vier Glockengießereien in Deutschland. Eine in Gescher im Münsterland, eine in Sinn bei Wetzlar und eine in Karlsruhe. Dazu die Glockengießerei aus der Eifel, die seit 1620 besteht. Damals zog man von Gemeinde zu Gemeinde und goss an Ort und Stelle die Glocken. Seit 1840 hat die Firma ihren Sitz in Brockscheid. chb

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