Geschichte Von Häuschen mit Herz in der Tür und „Donnerbalken“ zu Hightech-Produkten fürs Bad

Daun · Es ist zwar ein anrüchiges Thema, dennoch stellten die „Herzhäuschen“ über Jahrhunderte hinweg eine notwendige Kultur­einrichtung dar. Heute sind sie wohl gänzlich aus dem Dorf- oder Stadtbild verschwunden.

 Toilette aus dem Mittelalter: Ein mit Schiefer verkleideter sogenannter Abort­erker (links) an der Marksburg bei Braubach im Rhein-Lahn-Kreis.

Toilette aus dem Mittelalter: Ein mit Schiefer verkleideter sogenannter Abort­erker (links) an der Marksburg bei Braubach im Rhein-Lahn-Kreis.

Foto: Alois Mayer

„Plumpsklo“ ist der umgangssprachliche Begriff, und er bezeichnet lautmalend eine Toilette, einen „Abtritt“ ohne Wasserspülung. Die Fäkalien landeten nicht – wie heutzutage meist üblich – in einer Kanalisation, sondern wurden in einer Jauche­grube gesammelt. War diese voll, musste der Inhalt entsorgt werden und diente meist als wertvoller Dünger auf den Feldern um das Dorf.

Heute wühlen Archäologen in Abfallhaufen und Abortgruben, die für sie wahre Fundgruben darstellen. Nicht nur lieblos fortgeworfene Gebrauchs­artikel, Keramik- und Glasfunde oder Alltags­gegenstände geben Auskunft über Einrichtungen und Lebensgewohnheiten einstiger Klo­benutzer. Die Reste, die Jahrhunderte überdauert haben, verraten viel über Speisepläne, Lebensstandard, den sozialen Status oder Krankheiten.

 Maler Hans Allroggen aus Retterath im Landkreis Vulkaneifel hat eine ­­ganze Serie „Toiletten­häuser“ gezeichnet, die mittlerweile aus dem Dorfbild verschwunden sind. Dieses stand in Arbach bei Kelberg.

Maler Hans Allroggen aus Retterath im Landkreis Vulkaneifel hat eine ­­ganze Serie „Toiletten­häuser“ gezeichnet, die mittlerweile aus dem Dorfbild verschwunden sind. Dieses stand in Arbach bei Kelberg.

Foto: Hans Allroggen

So belegte die Forschung durch uralte Funde, dass es schon Jahr­tausende vor Christus Klos gab. Von hohem hygienischen Standards künden Anlagen in Rom, in Vorder­asien, bei Indern, Ägyptern und Kretern, die sogar bereits über öffentliche Toiletten­räume mit Wasser­spülung verfügten. In antiken Stätten oder alten Klosteranlagen waren Toiletten sogar zur gleichzeitigen Benutzung für mehrere Personen verbreitet. „Stille Örtchen“ waren sie nicht – gesellig und schwatzhaft ging es dort zu. Über Politik und örtliche Ereignisse wurde genauso palavert wie über geschäftliche An­gelegen­heiten. Noch heute verrät dies die Redewendung: „Er hat sein Geschäft verrichtet.“

Für das Reinigen solcher öffentlichen Ab­orte waren angestellte „Kloaken­reiniger, Heimlich­keits­feger oder Dreck­meister“ zuständig. Vor rund 200 Jahren soll es in größeren Städten auch „Abtritt­anbieter“ gegeben haben, die mit großen Holz­eimern durch die Straßen gingen, angekleidet mit weiten Umhang­mänteln. Darunter, vor neugierigen Blicken geschützt, konnten Bürger gegen Entgelt ihre Not­durft verrichten.

Warum die antike gehobene Klo­kultur im Mittelalter verloren ging, ist noch nicht gänzlich erforscht. Fakt ist, dass man überall den Nacht­topf benutzte und diesen – zumindest in Städten – un­geniert auf die Straßen entleerte. Mangelnde Hygiene aller­orten. In einer Verfügung der Burg­herren in Daun ist zu lesen, dass Bauern aus Nachbar­dörfern, wenn sie ihre Zehnt­abgaben in der Burg ablieferten, verpflichtet wurden, Abfall, Mist und Fäkalien aufzuladen und außerhalb der Stadt zu entsorgen.

 Antike öffentliche Toiletten in Ephesos in der heutigen Türkei.

Antike öffentliche Toiletten in Ephesos in der heutigen Türkei.

Foto: Alois Mayer

Mit der beginnenden Neuzeit wurden die öffentlichen Gemeinschafts­toiletten immer weniger, wurden privater und intimer. Besonders in Klöstern wie St. Gallen, Lorsch, Prüm und Nieder­ehe, in Burgen oder in wohl­habenden adligen Häusern ent­wickelten sich die Ab­orte zu einem „haymblich gemach“ und wurden ins Innere der Gebäude verlegt, „wohin auch der Kaiser zu Fuß hingeht“. In einem solchen abgeschlossenen „Gemach“ wurde etwa im Jahr 901 ein Graf durch ein Fenster erschossen, berichtet zumindest Regino, Geschichtsschreiber der Abtei Prüm.

Die Burg Eltz hat stolze 20 Zimmer­toiletten. Supermodern, denn andere Burgen oder Schlösser hatten bestenfalls Toiletten­­erker an den Außenwänden und hofften, dass kräftiger Regen ihre anrüchigen und sichtbaren Hinterlassen­schaften fortspülen würde.

In Versailles, am Hof des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., soll es 2000 Zimmer gegeben haben – aber nur ein eingebautes Klo. Und wo haben sich seine vielen Tausend Besucher und Bediensteten erleichtert? Im Schlosspark. Und Plastikbeutel, die heute jeder Hunde­besitzer benutzt, gab es damals noch nicht.

Latrine, Toilette, Klosett, WC, Lokus oder kurz 00 – viele Namen für eine un­entbehrliche Einrichtung für menschliche Erleichterungen. „Herzhäuschen“ lautet ebenfalls ein liebevollerer Name jener ehemaligen kleinen Holzgebäude. In die Tür der nahezu immer im Freien oder an einem Mist­haufen stehenden Toiletten war ein Herz geschnitzt. Seine Aufgabe war es, für bessere Belüftung zu sorgen und erkennbar zu machen, ob das Klo frei oder besetzt ist. Klar, man hätte auch ein Viereck oder einen Kreis in die Tür schnitzen können – aber wirkt ein Herz nicht freundlicher, gemüt­licher? Und wenn man das Symbol einmal umdreht, sieht es dann nicht aus wie ein Hintern?

Gestern noch überall in unseren Dörfern zu sehen, heute gänzlich aus dem Ortsbild verschwunden: Welch ein Fortschritt in der Entwicklung vom einfachen Loch in der Erde über „Donnerbalken“ und Herz­häuschen bis hin zu heutigen sanitären Hightech-Produkten.

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