Ton im Bahnstreit wird rauer

Gerolstein/Prüm · Die Bahnfreunde der Interessengemeinschaft Westeifelbahn haben Gerolsteins Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz geschrieben. Im Brief kritisieren sie dessen "Herabwürdigung ihrer Arbeit" und dessen "Ablehnung einer Reaktivierung des Zugverkehrs". Der verteidigt die Radweg-Idee ebenso wie dies Prüms Bürgermeister Aloysius Söhngen tut.

 Die Bahnstrecke zwischen Gerolstein und Prüm wird seit Jahren nicht mehr genutzt. Aus dem Gleisbett wachsen bereits meterhoch Sträucher, die brücken sind sanierungsbedürftig. TV-Foto: Mario Hübner

Die Bahnstrecke zwischen Gerolstein und Prüm wird seit Jahren nicht mehr genutzt. Aus dem Gleisbett wachsen bereits meterhoch Sträucher, die brücken sind sanierungsbedürftig. TV-Foto: Mario Hübner

Foto: Mario Hübner (mh) ("TV-Upload H?bner"

Gerolstein/Prüm. Auf der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm herrscht seit Jahren Stillstand. Züge fahren schon lange nicht mehr, Büsche und Sträucher wachsen aus dem Gleisbett, und besonders die Brücken sind sanierungsbedürftig. Das möchten alle Beteiligten so rasch wie möglich ändern. Das Problem: Die Interessen könnten gegensätzlicher nicht sein.
Die Eigentümerkommunen, die Stadt Gerolstein und die Verbandsgemeinde Prüm, wollen die Schienen besser heute als morgen ab- und die Trasse zum Radweg umbauen.
Das können sie aber nicht, weil die Strecke nicht entwidmet ist - also noch für Zugverkehr vorgesehen ist. Das liegt vor allem an dem Unternehmen Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE), die auf der Strecke touristischen Verkehr fahren lassen will und dies auch plausibel darlegen konnte. Sie hatte nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz vor zwei Jahren vom Land Rheinland-Pfalz die Betriebsgenehmigung für die Strecke zugesprochen bekommen. In ihrem Bemühen, die Strecke zu reaktivieren, wird sie von den Bahnfreunden der IG Westeifelbahn unterstützt.
Während die einen aber nicht die Gleise abbauen dürfen, werden die anderen von den Eigentümerkommunen nicht auf die Strecke gelassen.Stadt denkt nicht an Sanierung


Und an eine kostspielige Sanierung der Brücken, damit wieder Züge rollen können, denkt Gerolsteins Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU) gar nicht. Am Beispiel der Brücke an der Einmündung der Straße aus Müllenborn in die B 410 sagt er: "Wenn das TÜV-Gutachten, das wir in Auftrag gegeben haben, ergibt, dass eine umfangreiche Sanierung der Brücke notwendig ist, dann reißen wir sie ab. An einen Neuaufbau denke ich nicht."
Die Stadt habe weder die finanziellen Möglichkeiten noch ein Interesse daran, Brücken zu sanieren, um einen Bahnbetrieb zu ermöglichen. "Das ist die Sache nicht wert", sagt Bongartz.
Für ihn ist vor allem die Entschärfung der Gefahrenstelle wichtig. Dort schränkt die Bahnbrücke erstens die Sicht der Autofahrer ein, zweitens verengen deren Pfeiler den Rad- und Fußweg enorm. Zudem sieht er in einem Radweg Gerolstein-Prüm eine höhere touristische Bedeutung als in einer Bahnstrecke.
Er verstehe ja, dass sich die Bahnfreunde da einen Wunsch erfüllen wollten, aber das Gemeinwohl gehe vor Vereinsinteressen.
Er appelliert daher an RSE und IG "die Strecke freizugeben" und fügt hinzu: "Wenn sie etwas fürs Allgemeinwohl tun wollen, dann sollten sie sich um die Reaktivierung der Bahnstrecke Gerolstein-Daun kümmern. Alles andere ist Unsinn."
Die Bahnfreunde wiederum sind erstens sauer über die Haltung der Eigentümerkommunen, zweitens über Bongartz´ Wortwahl. Daher haben sie ihm einen Brief geschrieben. Darin heißt es unter anderem: "Wir haben kein Verständnis dafür, dass unser diesbezügliches ehrenamtliches Engagement von Ihnen als Unsinn abgetan wird. Können Sie guten Gewissens unsere ehrenamtliche Arbeit so bezeichnen?"
Die Bahnfreunde zeigen dennoch Gesprächsbereitschaft ("Wir sind gerne bereit, Ihnen unsere Argumentation persönlich zu erläutern.") und bringen nochmals ihren Vorschlag einer Nutzung der Trasse als Radweg und als Bahnstrecke ins Gespräch.
Sie sagen: "Ein gleichzeitiges Betreiben der Bahntrasse als Radweg und als Bahnstrecke würde dem Bürgerwillen nicht entgegenstehen, sondern könnte das touristische Angebot ausbauen und ergänzen."Söhngen: Kombilösung zu teuer


Das wiederum hält Aloysius Söhngen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm, für unrealistisch. Er sagt dem TV: "Die Frage der ,parallelen´ Anlage von Radweg und Bahnverkehr wurde umfassend mit dem Ergebnis geprüft, dass dies zu erheblichen Mehrkosten führen würde - dies betrifft sowohl die Investitionen als auch den Betrieb. Die notwendige Sicherung der Radweg-Bahnkreuzungen wäre kaum zu leisten." Deshalb sei diese Variante nicht weiterverfolgt worden.
Er sagt: "Die Eigentümerkommunen setzen alles daran, dass jetzt Klarheit geschaffen wird, damit baldmöglichst der von der Bevölkerung gewünschte Radweg zwischen Prüm und Gerolstein gebaut wird."Meinung

Keine schnelle Lösung in Sicht
Auch wenn die Stadt Gerolstein nun den Druck erhöht, indem sie auf die marode Eisenbahnbrücke am Unfallschwerpunkt B410/Straße von Müllenborn hinweist. Auch wenn die beiden Eigentümerkommunen, die Stadt Geroldstein und die Verbandsgemeinde Prüm, nicht müde werden zu wiederholen, dass sie sich auf der Trasse einen Radweg wünschen. Auch wenn vermutlich mehr Menschen einen ebenen Radweg als eine Touristenbahn zwischen Gerolstein und Prüm nutzen würden: Es ist erstens nicht davon auszugehen, dass der Radweg auch wirklich kommt. Und vor allem wird es keine schnelle Lösung, ob Rad- oder Bahnverkehr, geben. Einerseits wird die Stadt Gerolstein nicht so einfach die marode Bahnbrücke abreißen können, um so Fakten für das Aus der Bahnstrecke zu schaffen. Denn erstens haben die Bahnfreunde eine Betriebsgenehmigung bis 2024, und zweitens muss vor einem Abbau der Infrastruktur die Strecke entwidmet werden. Das wird aber erst passieren, wenn die Rhein-Sieg-Eisenbahn erstens ihr Vorhaben auf- und die Betriebsgenehmigung zurückgibt (was angesichts des zweijährigen Stillstands zu begrüßen wäre). Und zweitens dürfte sich nach zuvor öffentlicher Ausschreibung dann kein neuer Interessent für eine Reaktivierung der Strecke meldet. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Kyll herab. m.huebner@volksfreund.deExtra

Das sagen die Beteiligten zu zentralen Punkten im Streit um die Reaktivierung der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm: Zu den Sanierungskosten:Friedhelm Bongartz, Stadtbürgermeister von Gerolstein: "Ich habe in meinem früheren Job bereits etliche Brücken saniert und sage aus Erfahrung: Die im Gutachten festgestellten 300 000 Euro Sanierungskosten passen angesichts der vielen Brückenbauwerke vorne und hinten nicht. Ich gehe von mindestens 1,5 Millionen Euro aus." Aloysius Söhngen, Bürgermeister der VG Prüm: "Die Brücken stellen ein erhebliches Kostenrisiko dar. Ich neige zu der Auffassung, dass die Kostenannahme, die dem Gutachten zu Grunde liegt, deutlich zu niedrig ist." Bernd Kruse, Vorsitzender der IG Westeifelbahn: "Die gutachterliche Stellungnahme zur Plausibilität der RSE- Kostenkalkulation ist bekannt. Sie bildete die Grundlage für das Urteil des Oberverwaltungsgericht Koblenz und beziffert eine Investitionssumme von 330 000 Euro. Von Millionen kann also keine Rede sein." Zur Pacht:Kruse: "Die genannten Pachtzahlungen in Höhe 27 000 Euro erwecken unsere Verwunderung. Bisher war immer von 22 500 Euro die Rede. Im bundesweiten Vergleich wäre dies allenfalls für eine Bahnstrecke im betriebsfähigen Zustand vorstellbar, der jedoch nicht gegeben ist." A. Söhngen: "Die Höhe der Pachtforderung orientiert sich an den Kosten der Kommunen für den Erwerb der Strecke." mh

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