Soziales Treffpunkt für ukrainische Geflüchtete in Daun: „Wir helfen mit vereinten Kräften“

Daun · Miteinander und mit Einheimischen in Kontakt kommen: Was in dem vor sieben Jahren ins Leben gerufenen Café Asyl im Haus der Jugend (HdJ) in Daun Prinzip ist, gilt seit Sonntag auch für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie alle haben ihre Geschichte. Wir erzählen zwei davon.

 Großfamilie der besonderen Art: Matthias (hinten rechts) und Erika (hinten Dritte von rechts) Deckert und ihre Drillinge (vorne von rechts) haben die Ukrainerin Tania Natjazhko (links) mit zwei Kindern und ihrem minderjährigen Schwager bei sich in Zermüllen aufgenommen.

Großfamilie der besonderen Art: Matthias (hinten rechts) und Erika (hinten Dritte von rechts) Deckert und ihre Drillinge (vorne von rechts) haben die Ukrainerin Tania Natjazhko (links) mit zwei Kindern und ihrem minderjährigen Schwager bei sich in Zermüllen aufgenommen.

Foto: Bettscheider Brigitte

Das Bild, das sich seit gut sieben Jahren an (fast) jedem Montagnachmittag im und am HdJ bietet, wird es nun auf unbestimmte Zeit hin auch am Sonntag von 14 bis 16 Uhr geben. Dann nämlich ist Café-Asyl-Zeit. Dann können sich Menschen, die - aus welcher Not heraus auch immer - ihr Land verlassen und in der Vulkaneifel Zuflucht gefunden haben, treffen und dabei auch Kontakt zu Einheimischen aufnehmen.

Rita Schmaus war seinerzeit die Initiatorin des Angebots für Flüchtlinge vor allem aus Syrien und Afghanistan, ist seither mit einem Team die ehrenamtliche Managerin (der TV berichtete). An diesem Sonntag sind erstmals Menschen aus den Kriegsgebieten der Ukraine ins Café Asyl gekommen, die meisten sind Frauen und Kinder.

Lena Marx, die in den ersten Jahren hier Dozentin von Sprachkursen war, fungiert als Dolmetscherin. Lidija Gensirovskij als die stellvertretende Migrations- und Integrationsbeauftragte des Landkreises Vulkaneifel und ehrenamtliche Dolmetscherin im sozialen Raum ist eine weitere Ansprechpartnerin.

„Wir sind ja erst ganz am Anfang“, räumt Stadtbürgermeister Friedhelm Marder in seinen Begrüßungsworten ein. Und wirbt: „Vertrauen Sie uns!“ Mit Blick auf die Verbandsgemeinden und die Kreisverwaltung sagt er: „Wir helfen Ihnen mit vereinten Kräften.“

Das wird wohl nötig sein. „Die Menschen haben Fragen über Fragen“, weiß Rita Schmaus. Daher wünscht sie sich für das nächste Treffen am kommenden Sonntag, dass Mitarbeiter der Verwaltungen anwesend sein können, um konkrete Fragen zu beantworten.

Und es sollte zeitnah ein Infoblatt mit den wichtigsten Kontaktdaten in deutscher und russischer Sprache ausgegeben werden, schlägt sie vor – „für die Flüchtlinge und für die Menschen hier vor Ort, die sich persönlich um sie kümmern.“

Zu den Menschen, die bereits Flüchtlinge aufgenommen haben, gehören Erika und Matthias Deckert. Die Eltern der fünfjährigen Drillinge Dominik, Dean und Sophia haben ein großes Haus im Kelberger Ortsteil Zermüllen. Und offenbar ein weites Herz.

„Bei den Berichten über die Situation der Flüchtlinge habe ich mich in die Lage der Frauen versetzt. Da sind mir die Tränen gekommen und ich habe meinem Mann den Vorschlag gemacht, eine Familie bei uns aufzunehmen“, erzählt Erika Deckert unserer Zeitung.

Er sei sofort einverstanden gewesen. Auch an die Reaktionen der Kinder erinnert sie sich noch gut. „Auf jeden Fall!“, habe Dominik gerufen. Sophia habe gefragt: „Ist auch ein Mädchen dabei?“

Nur Dean als der eher Ängstliche und Zurückhaltende unter den Drillingen habe gezögert.

„Jetzt sind sie alle begeistert von dem Familienzuwachs“, sagt Erika Deckert. Und meint damit die 29-jährige Tania Natjazhko, ihre beiden Kinder Nika (5) und Daniel (2) sowie den Bruder ihres Ehemanns, Dima (15).

Der Kontakt war über Facebook zustande gekommen. Am Abend des 8. März hatte Matthias Deckert die Vier am Flughafen Köln abgeholt. Da lagen schwere, bange Tage hinter Tania und ihrer Familie aus einer ukrainischen Kleinstadt, an deren Rand sich ein Atomkraftwerk befindet und die daher in einer besonderen Gefahrenzone liegt.

„Zehn Tage und Nächte haben wir das Haus, in dem wir uns vor kurzem eine kleine Eigentumswohnung gekauft haben, nicht verlassen und viele Stunden im Keller verbracht“, erzählt die junge Mutter mithilfe des Übersetzungsprogramms auf Erika Deckerts Mobiltelefon.

„Wir sind von der Familie Deckert sehr herzlich aufgenommen worden und werden verwöhnt. Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen. Wir sind dankbar, dass Gott sie uns geschickt hat“, sagt sie.

„Aber natürlich mache ich mir große Sorgen um meinen Mann, meine Eltern und unsere Verwandten und Freunde“, erklärt sie. „Wenn unsere Wohnung zerstört wird, stehen wir wirtschaftlich vor dem Aus“, ist sich Tania Natjazkho bewusst. „Aber die Hauptsache ist, dass wir alle gesund und am Leben bleiben und irgendwann wieder zusammen sein werden.“

Eine besondere Beziehung zur Ukraine besteht für die Familie Otten aus Mückeln bereits seit neun Jahren. Seinerzeit kam die damals 23-jährige Nadiia Knis aus Kiew als Au Pair zu den damals drei, inzwischen vier Kindern des Forstwirtschaftsmeisters und Baumpflegers Alexander Otten und der Tierärztin Katja Otten. Nach einem Jahr und einem Monat bei den Ottens absolvierte die Krankenschwester Nadiia Knis ein Praktikum im Dauner Krankenhaus, wo sie - nach Heirat und Geburt der inzwischen fünfjährigen Tochter - aktuell auch beschäftigt ist.

„Ich habe schon nach kurzer Zeit gewusst, dass ich nicht mehr zurück in die Ukraine möchte“, erzählt Nadiia. „Ich musste mir alles erkämpfen“, sagt sie mit Blick auf Ausbildung und Studium. Und: „Es war keine gute Zeit, und ich war oft traurig.“ Auch ihre Schwester habe das Heimatland verlassen und lebe heute in Wiesbaden.

Was sie sich nicht habe vorstellen können, sei nun schreckliche Realität, sagt die 32-Jährige - ein Krieg in der Heimat und die daraus folgende Fluchtwelle. Inzwischen hat Nadiia Knis dafür gesorgt, dass 15 Menschen aus ukrainischen Kriegsgebieten nach Deutschland gelangen und in Wohnungen in Pützborn und Niederstadtfeld sowie Boos (Landkreis Mayen-Koblenz) untergebracht werden konnten. Darunter sind ihre Mutter, eine Cousine ihres Ehemanns, Freundinnen und insgesamt sieben Kinder. Die Flucht und Unterbringung von weiteren sieben Personen aus dem Familien- und Freundeskreis ist in Vorbereitung. Bei der Versorgung der Flüchtlinge wird Nadiia Knis von Mitarbeitern ihrer Station im Maria-Hilf-Krankenhaus ebenso unterstützt wie von „ihrer“  Familie Otten.

Auf deren Initiative hin hatte es in Mückeln eine Spendenaktion gegeben – und zwar in ganz konkreter Form. Soll heißen: Es wurde nicht das hergegeben, was sowieso übrig war, sondern genau das, was die Geflüchteten brauchen, ihrer Körper- und Schuhgröße und ihrem Alter und ihren Bedürfnissen entsprechend.

„Die Resonanz war fantastisch“, erklärt Alexander Otten. Dazu gehöre auch, ergänzt er, dass zu dieser Stunde, die er und seine Tochter Johanna (17) mit Nadiia Knis („meine tolle große Schwester“, nennt Johanna Otten sie) im Café Asyl verbringen, um Kontakte zu knüpfen und eventuell weitere Unterstützung zu organisieren, die Ukrainer den Wildpark Daun besuchen. Und zwar kostenlos.

 Die aus der Ukraine stammende Krankenschwester Nadiia Knis (links) kam als Aupair-Mädchen zur Familie Otten nach Mückeln (mit im Bild: Alexander Otten und Tochter Johanna); nun bringt sie Verwandte und Freunde in der Eifel in Sicherheit

Die aus der Ukraine stammende Krankenschwester Nadiia Knis (links) kam als Aupair-Mädchen zur Familie Otten nach Mückeln (mit im Bild: Alexander Otten und Tochter Johanna); nun bringt sie Verwandte und Freunde in der Eifel in Sicherheit

Foto: Bettscheider Brigitte

Das nächste Treffen für Flüchtlinge aus der Ukraine und für ihre Unterstützer und weitere Interessierte ist am kommenden Sonntag, 20. März, von 124 bis 16 Uhr im HdJ in der Dauner Bahnhofstraße. Kontakt und Info: Rita Schmaus, Telefon: 0177 7999041.

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