Trommeln, Tänze und gebratene Meerschweinchen

MEHREN/SCHALKENMEHREN. Überall auf der Welt wird Heiligabend gefeiert. Doch nirgendwo ist "Weihnacht gleich Weihnacht". Pater Hugo Pöpping ist Steyler Missionar und seit September "Kooperator" der Pfarreien-Gemeinschaft Darscheid-Demerath-Mehren-Schalkenmehren. 40 Jahre war er mit kurzen Unterbrechungen in Lateinamerika, zuletzt in Ecuador. Im TV -Gespräch berichtet er über das Weihnachten in der Fremde.

Vielen Berichten ist zu entnehmen, dass in Ecuador Weihnachten, in der Landessprache "Navidad" genannt, ganz besonders ein Fest der Kinder ist. Stimmt das? Pater Pöpping: Es ist vor allem das Fest des Kindes, "el Ninyo". Damit ist das Jesuskind gemeint. Es ist aus Holz, Gips, Wachs, Plastik, kostbar gekleidet und wird hochverehrt. Es fehlt wirklich in keinem Haus. Von Dezember bis Februar dreht sich alles um "El Ninyo". Welche Bräuche gibt es in Ecuador zur Weihnachtszeit? Pöpping: Althergebrachte Gebete und Lieder, skurrile Texte vielfach, und meist fröhliche Hüpfmelodien, begleitet von rhythmischem Rasseln der Kinder. Überhaupt gibt es dort viel bunte Fröhlichkeit und wenig "deutsche Gemütstiefe". Was machen die Menschen an Heiligabend? Pöpping: Zur Christmette werden die Ninyos in die Kirche getragen, sie müssen die Messe hören! Viele Familie schenken aber auch an irgendeinen Tag vor Fastnacht ihrem Ninyo "seine eigene Messe". Die "Patin" trägt das Kind auf ihren Armen zum Gotteshaus, begleitet von der gesamten Verwandtschaft mit brennenden Kerzen und sehr viel Weihrauch. Dazu ertönt Musik von Trommeln und Pfeifen, oft ganzen Blaskapellen. Im Tanzschritt folgen Maria und Josef, Hirten nebst krotesken Tänzern in Tiermasken und Fellen; schließlich die drei Könige, geschmückte Lamas und Maultiere, je nach Wohlstand schwer behangen mit Obst, süßem Brot, gebackenen Meerschweinchen oder Schnaps. Es wird sehr viel gegessen und noch mehr getrunken. So feiern die Erwachsenen "das Kind", und vergessen dabei oft ihre eigenen Kinder. Werden die zu Hause nicht eigens beschert und beschenkt? Pöpping: Dazu kann ich Ihnen eine Anekdote erzählen: In der Fastenzeit ist es Sitte, sich mit Wasser zu bewerfen. In meiner Zeit als Leiter eines Gymnasiums in Ecuador kam eine Lehrerin patschnass zum Unterricht. Lausbuben hatten ihr in den Hausecken aufgelauert. Auf mein Bedauern meinte sie: "Ja, es ist lästig, aber der Karneval gefällt mir doch viel besser als Weihnachten. Denn das Wasser kostet nichts, und so haben zu Karneval auch die Ärmsten der Armen ihren Spaß. An Weihnachten können sich ja nur die Kinder der Reichen freuen." Reiche gibt es also auch? Pöpping: Nicht wenige fliegen zum üppigen Weihnachtseinkauf nach Miami und feiern mit wertvollen Geschenken unter einem teuren Plastik-Tannenbaum. Für die Mehrzahl der Kinder bedeutet Bescherung aber nur, dass die "Erste Dame" des Orts oder auch eines Vereins in die Schulen und Kindergärten geht, und dort bei einer lustigen Weihnachtsfeier Bonbons, Kekse und kleineres Spielzeug verteilt - meist asiatische Massenware, billig aber bunt. Und damit sind die Kinder schon überglücklich. Heute kommt wohl auch schon mal "Papa Noel", der tolpatschige US-Weihnachtsmann, ins Spiel - eine globalisierte Weihnacht. Aber viele Kinder gehen doch gar nicht zur Schule? Pöpping: Ja, leider, trotz all unserer Hilfe. Für sie veranstalten wir in den Pfarreien "Pinyatas". Was ist eine Pinyata? Pöpping: Das ist ein lustiges Kinderfest zur Weihnacht. Den Höhepunkt bildet ein Spiel, bei dem mit verbundenen Augen mit Hilfe eines Besenstiels aufgehängte Tontöpfe zerschlagen werden. Aus ihnen regnet es dann schmackhaftes Obst und begehrte Süßigkeiten - aus manchem Gefäß rieselt aber auch nur Wasser. Also ist Navidad vor allem ein Fest der Kinder? Pöpping: Ja, für die Kinder wird auf diese Weise viel getan. Nur an die alten Menschen, besonders die auf dem Land, denkt niemand. Oft nicht einmal der spanischen Sprache mächtig, sind sie allein und einsam, weil die jungen Leute alle abgewandert sind. Ärmlich, ja erbärmlich, leben sie. Manchmal haben sie noch ein paar Schäfchen, Meerschweinchen oder Hühner in ihrer Hütte. Im Anden-Hochland schien mir die Weihnacht immer schon mehr ein "Fest der Tiere" zu sein. Wie meinen sie das? Pöpping: Auf diesem äußerst kargen Boden in 3000 oder 4000 Metern Höhe wächst außer Kartoffeln und Gras kaum etwas, die Menschen leben von den Tieren. So formen sie zu Weihnachten aus Lehm oder Hirsebrei massenweise kleine Lamas, Schafe und Rinder. Die bilden die "Krippe", damit das Ninyo ihnen die Gesundheit erhalte. Und um diese alten Menschen haben Sie sich gekümmert? Pater Pöpping: Ja, besonders zu Weihnachten. An einem der Weihnachtstage haben wir sie von überall her in unsere Pfarreien zusammengeführt zu einem besonderen Gottesdienst. Bis zu 80 erwartungsvolle Menschen kamen. Nach der Heiligen Messe wird ein gutes Mittagessen gereicht, am liebsten Meerschweinchen und Kartoffeln mit Erdnuss-Soße und ein paar Schlückchen vom Selbstgebrannten. Bei diesem Sebstgebrannten tauen sie auf, werden richtig lustig, erzählen von früher, wagen sogar ein vorsichtiges Tänzchen zu den alten Melodien ihrer Kultur. Am Ende gibt es noch eine Tüte mit verschiedenen Lebensmitteln, ein Stück duftende Seife, ein großes Schnupftuch - und die Menschen lachen und lachen, und können das Wunder kaum glauben. S Das Gespräch mit Pater Hugo Pöpping führte unser Mitarbeiter Bernd Schlimpen.