Trotz Entwarnung: Eltern haben weiter Angst

Neroth/Daun · Noch immer keine Ruhe: Trotz Entwarnung durch die Polizei sind Eltern von Nerother Grundschulkindern weiterhin verängstigt und bringen ihren Nachwuchs selbst zur Schule. Hintergrund: Vor einigen Tagen ist ein achtjähriges Kind auf dem Schulweg von einem Mann aus einem weißen Kleinbus angesprochen worden.

Trotz Entwarnung: Eltern haben weiter Angst
Foto: Friedemann Vetter

Neroth/Daun. "Wir bleiben dabei: Der Schulweg in Neroth und auch andernorts im Kreis ist sicher. Die Polizei hat keine neuen Erkenntnisse, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Daher ist der Fall für uns erledigt."
Mit deutlichen Worten reagiert der Dauner Polizeichef Heinz-Peter Thiel auf die anhaltende Verunsicherung von Eltern und Lehrern, nachdem vergangene Woche ein achtjähriger Junge morgens auf dem Schulweg von einem Mann in einem mit fünf oder sechs Personen besetzten weißen Kleinbus angesprochen worden war.
Viele der Eltern bringen seither ihre Kinder selbst zu Fuß oder mit dem Auto zur Grundschule nach Neroth. Und holen sie mittags auch wieder ab. Und das, obwohl die Polizei zwischenzeitlich Entwarnung gegeben hat.
So auch Dieter Mayer und seine Frau. Ihr achtjähriger Sohn war es nämlich, der von dem Fremden im Bus angesprochen worden war. Und Mayer ist mit der Darstellung des Sachverhalts durch die Polizei nicht einverstanden.
Er sagt: "Zum einen ist es nur eine Mutmaßung der Polizei, dass es sich um Bauarbeiter gehandelt haben könnte. Zum anderen ist es nicht so, dass mein Sohn nur nach dem Weg gefragt wurde. Vielmehr hat er klar und deutlich geschildert, dass ihn der Fahrer im Bus mitnehmen wollte. Und ich glaube meinem Sohn hundertprozentig: Er ist aufgeweckt und pfiffig und ist sich ganz sicher, was zu ihm gesagt worden ist."
Der Vater schildert, wie die Situation zwischen seinem Sohn und dem Fremden nach Aussage seines Sohnes abgelaufen sein soll: "Mein Sohn war gegen 7.30 Uhr auf dem Schulweg, als plötzlich in der Layenstraße aus Richtung Neunkirchen ein mit fünf oder sechs Leuten besetzter weißer Kleinbus neben ihm hält. Der Fahrer fragt: Wo willst du hin? Mein Sohn: Zur Schule. Der Fahrer: Ich nehme dich mit, steig ein! Mein Sohn: Nein, ich muss noch meinen Freund abholen. Daraufhin der Fahrer: Bist du dir sicher? Mein Sohn: Ja. Und dann ist er weggelaufen."
Nachdem ihm sein Sohn am gleichen Nachmittag den Vorfall geschildert habe, habe er umgehend die Polizei benachrichtigt. "Die Polizei kann also nicht sagen, dass sie nicht rechtzeitig informiert worden sei", sagt Dieter Mayer.
Dauns Polizeichef Thiel geht nochmals auf den Vorfall ein: "Es ist unstrittig, dass der Junge angesprochen worden ist. Es gibt aber Vorbehalte, was genau gesagt wurde. Vielleicht hat sich das Kind ja genau so geäußert, wie es zuvor von den Eltern in Bezug auf so eine Situation eingestellt wurde."
Da das aber nicht herauszufinden sei, bleibt die Polizei bei ihrer Einschätzung: "Wir gehen nicht von einem kriminellen Hintergrund aus."
Erstens sei es "untypisch", dass der Bus mit mehreren Personen besetzt gewesen sei. Zweitens habe es "weder vorher noch nachher" ähnliche Vorfälle in der Region gegeben. Und das sei bei kriminellem Hintergrund ansonsten der Fall. Auch in Neroth gab es danach keine Auffälligkeiten, während die Polizei drei Tage lang dort zu den Schulzeiten Streife gefahren ist, potenzielle Zeugen gehört und weiße Kleinbusse kontrolliert hat.
Thiels Fazit: "Wir haben den Vorfall mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, Sorgfalt, Tiefe und dem entsprechenden Aufwand verfolgt, haben die Lage bewertet und sind zu dem Schluss gekommen: Es besteht keine konkrete Gefährdung."
Alle nachfolgenden Hinweise, die zumeist in sozialen Netzwerken im Internet verbreitet oder mit denen die Polizei konfrontiert wurde, seien falsch gewesen. Thiel: "Auf einmal wurden überall weiße Kastenwagen gesichtet, in Ulmen soll ein Schüler in einem weißen Sprinter entführt und später in Darscheid von der Polizei befreit worden sein. Aus dem Ansprecherfall in Neroth wurde zwischenzeitlich ein Missbrauchsfall, dann eine Entführung von zwei Schülern."
Dem stimmt auch Dieter Mayer zu. Er berichtet: "Wir haben von Bekannten bereits zwei Mal einen Anruf erhalten, dass in Jünkerath ein Kind in einem weißen Kastenwagen entführt wurde. Da ist meine Frau sofort in Tränen ausgebrochen. Natürlich sind wir total verängstigt."
Angesprochen auf den Umstand, dass weiterhin viele Eltern verunsichert seien und ihre Kinder persönlich zur Schule brächten und von dort auch wieder abholten, sagt Thiel: "Das ist kein polizeiliches Problem, und wir werden auch nicht darauf reagieren. Genauso wie sich die Falschmeldungen verbreitet haben, wird man jetzt wohl abwarten müssen, bis sich die sachgerechte Sichtweise durch ,Weiterposten\' durchgesetzt hat."
Nach Ansicht des Grundschulkollegiums hat sich "die Aufregung mittlerweile wieder gelegt". Dennoch gibt es noch immer Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen und von dort auch wieder abholen. So wie Steffi Paulus, die trotz unterschiedlicher Schulschlusszeiten ihre beiden Kinder persönlich abholt und auch morgens bringt.
Sie sagt: "Es sind einige Eltern, die dem Frieden noch nicht trauen."

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