"Unser Leben war oft in Gefahr"

Retterath-Salcherath · Mehrmals seit dem Frühjahr 2012 hatte Shahrazad Schüller aus Retterath-Salcherath (bei Kelberg) versucht, die Ausreise ihres Vaters und seiner Familie aus dem vom Bürgerkrieg heimgesuchten Syrien zu erreichen - vergeblich. Bis am 23. August die Syoufis wie aus heiterem Himmel ihre Ankunft für den nächsten Tag ankündigten.

 Shahrazad Schüller (Dritte von rechts) und ihr Mann Christian (rechts, mit Tochter Hellen) sind froh und dankbar, dass ihre syrischen Verwandten unversehrt bei ihnen angekommen sind (von links): Shahad, Huda, Majd und Basheer Syoufi. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Shahrazad Schüller (Dritte von rechts) und ihr Mann Christian (rechts, mit Tochter Hellen) sind froh und dankbar, dass ihre syrischen Verwandten unversehrt bei ihnen angekommen sind (von links): Shahad, Huda, Majd und Basheer Syoufi. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Fast scheint es, dass sie ihr Glück noch immer nicht fassen können. So froh ist Shahrazad Schüller (38) mit ihrem Mann Christian und den zehn und vier Jahre alten Töchtern Amila und Hellen über die Ankunft ihrer syrischen Verwandten vor knapp zwei Wochen. Endlich! Im Frühjahr 2012, als die militärische Auseinandersetzung zwischen der Regierung Syriens und oppositionellen Gruppen schon mehr als ein Jahr im Gang war, hatte das Lehrer-Ehepaar erstmals eine Verpflichtungserklärung abgegeben: Sie wollten Shahrazads Vater Basheer Syoufi (71), seine Frau Huda (51), ihren Sohn Majd (21) und ihre Tochter Shahad (20) aufnehmen. Sie machten sich Hoffnungen auf ein baldiges Wiedersehen. Umso größer war die Enttäuschung über die Ablehnung.

Inzwischen wurden die Bestimmungen geändert, und so fragte Anfang August die Deutsche Botschaft in Beirut die Schüllers, ob sie weiterhin bereit seien, die Familie Syoufi aufzunehmen. Dass es mit dem Visum und der Ausreise dann aber "Hals über Kopf" klappen sollte, hätten sie nicht gedacht, sagen Shahrazad und Christian Schüller. Freitags nachmittags kam die Nachricht von der Landung in Frankfurt am nächsten Vormittag.
Seither verbringt die Großfamilie jede freie Minute zusammen. Basheer Syoufi spricht ausgezeichnet deutsch. Er war als Neurologe von 1971 bis 1980 in Deutschland tätig. Seine Tochter Shahrazad und ihr Zwillingsbruder gingen damals zwar für einige Jahre mit der Familie nach Syrien, kehrten aber als Jugendliche zu einer befreundeten Familie ins Rheinland zurück. Ihr Vater gründete in Homs eine eigene Praxis und arbeitete in einer Poliklinik. Zudem widmete er sich zeitlebens der Malerei.Praxis und Klinik zerstört

Er und seine Familie haben in der Zeit seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs Anfang 2011 viel mitgemacht. "Immer wieder waren wir Augenzeugen von Verbrechen an Menschen", sagt Basheer Syoufi mit Blick auf Vergewaltigungen, Erschießungen, Quälereien. Sieben junge Männer aus seiner Familie seien getötet worden. "Auch unser eigenes Leben war oft in Gefahr", berichtet er. Die Praxis und die Klinik wurden ebenso zerstört wie Dreiviertel der Stadt Homs. Damit stand der Arzt Syoufi beruflich vor dem Aus, an eine Fortsetzung des Studiums von Sohn Majd (Medizin) und Tochter Shahad (Kommunikationswissenschaft) war nicht mehr zu denken. "Wenn wir auch in Syrien fast alles zurücklassen mussten", räumt Basheer Syoufi ein, "wir sind dankbar und glücklich, bei Shari und ihrer Familie zu sein."

Alle zusammen schmieden jetzt Pläne. Majd und Shahad lernen bereits in Eigeninitiative Deutsch. Sie wollen so bald wie möglich ihr Studium wieder aufnehmen. Denn die Familie rechnet mit einer mindestens zweijährigen Aufenthaltserlaubnis für Rheinland-Pfalz.Extra

Bund und Länder haben sich angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien am 20. März 2013 darauf verständigt, bis zu 5000 schutzbedürftige syrische Staatsangehörige für die Dauer des Konflikts in ihrem Heimatland im Bundesgebiet aufzunehmen. Im Kreis Vulkaneifel leben nach Angabe der zuständigen Ausländerbehörde der Kreisverwaltung zurzeit 25 syrische Staatsangehörige. Die Ausländerbehörde ist angehalten, den vom Bundesamt zugewiesenen Syrern eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen. bb

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