Versorgt, aber selten geschult

DAUN. In der psychosomatischen Abteilung der Kliniken Daun (Am Rosenberg) werden seit 1990 Patienten ab 18 Jahren behandelt. Ein großer Teil von ihnen leidet unter Ängsten, Depressionen oder körperlichen Beschwerden, die auf anhaltende Belastungs- und Überforderungssituationen zurückgehen.

In der Bevölkerung bekannt ist die Klinik in Daun als Behandlungszentrum für Abhängigkeitserkrankungen. Weniger bekannt ist die psychosomatische Abteilung der Klinik mit 70 Betten. Ein großer Teil der Patienten dieser Abteilung leidet unter Ängsten, Depressionen oder körperlichen Beschwerden, die auf anhaltende Belastungs- und Überforderungssituationen zurückgehen. Das Therapieverständnis und die Vorgehensweise der Klinik richten sich nach einem Konzept, nach dem Patienten zu "Experten ihrer eigenen Erkrankung" gemacht werden.Der 38 Jahre alte Bergmann Horst G. (Name geändert) hatte nach privaten Problemen schon eine Alkohol-Entziehungskur hinter sich. Unter seinen Kollegen sprach sich das herum, es kam zu kleinen Sticheleien wegen seiner Trinker-Vergangenheit, und es wurde hinter seinem Rücken geredet. Bierdosen wurden ihm hingestellt, obwohl er trocken war. "Auf einmal war ich das schwarze Schaf, und wenn die jemanden ausgesucht haben, ist der fertig", erzählt der Bergmann, der dadurch wieder mit dem Trinken anfing.Das Phänomen betrifft alle Berufsgruppen

Mobbing nennt sich das Phänomen, das immer weiter um sich greift. "Mobbing zieht sich durch alle Berufsgruppen, da werden oft Grenzen überschritten, die sonst eingehalten werden", berichtet Dr. Konstantin Passameras, leitender Abteilungsarzt an der Rosenberg-Klinik. Nach dem Entzug wird Horst G. drei Monate mit Medikamenten behandelt. Es folgen Gruppentherapien, in denen es um Selbstsicherheit, den Umgang mit Konflikten und Stressbewältigung geht.Eine frühe medizinische Behandlung zielt darauf ab, den Arbeitsplatz zu erhalten. Gerade psychosomatische Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass vom Patienten körperliche Beschwerden wahrgenommen werden, die zu Doppel- und Mehrfachuntersuchungen oder unwirksamen Behandlungsversuchen führen. Langfristig, erklärt Passameras, ist ein solches Vorgehen nicht nur ineffektiv, sondern trägt dazu bei, dass aus einem Patienten mit einem ungelösten Konflikt ein chronisch Kranker wird. Die beruflichen Aspekte kommen in einer primär auf die medizinische Versorgung ausgerichteten Behandlung zu kurz. Patienten werden medizinisch versorgt, seltener aber geschult, mit ihrer Erkrankung angemessen umzugehen.Die Schwerpunkte der modernen Medizin liegen in der präziseren Diagnostik und der Symptombehandlung mit neuesten Medikamenten, weniger in der Gesundheitsfürsorge oder in der Prävention. Die medizinische Rehabilitation, wie sie beispielsweise in der psychosomatischen Abteilung der Kliniken Daun betrieben wird, zielt vorrangig auf den Erhalt und die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ab. Das Behandlungsteam, dem Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter angehören, verfolgt gemeinsam mit den Patienten das Ziel, den Arbeitsplatz zu erhalten oder eine sichere berufliche Perspektive zu erarbeiten.Der Erfolg wird überprüft

Der Erfolg der Behandlung misst sich dabei nicht allein an Faktoren wie Wohlbefinden oder erlebter Besserung. Zur Überprüfung des Rehabilitationserfolges werden objektive sozialmedizinische Daten erhoben und ausgewertet, die zuverlässige Aussagen über die soziale und berufliche Situation nach der Entlassung geben. Die Minderung von Arbeitslosigkeit und die Senkung krankheitsbedingter Fehlzeiten, sagt Passameras, sind keine Utopie. "Es wäre wünschenswert, wenn sich das in der Rehabilitation praktizierte Denken und Handeln stärker innerhalb der gesamten Medizin verbreitet", fordert Passameras. "In diagnostischer Hinsicht lässt sich für unser Gesundheitssystem feststellen, dass wir zu viel und zu teure medizinische Behandlungen anwenden und zu wenig solche Behandlungen realisieren, die das Ziel einer beruflichen Wiedereingliederung verfolgen." An diesem kritischen Punkt der Definition von medizinischer Behandlung trennt sich derzeit nach seiner Meinung "die Spreu vom Weizen. Denn was nutzt die beste Medizin, wenn der Patient danach nicht arbeiten kann?"

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