Vier Hände für ein Halleluja

NOHN. Die 200 Jahre alte Votivkapelle an der Nohner Mühle wird restauriert – in liebevoller Manier. Experten bezeichnen die Kapelle in Privatbesitz als "lebendiges Zeugnis religiöser Volkskunst von besonderem Wert". Das Landesamt für Denkmalpflege bezahlt die Kosten von 50 000 Euro zu 90 Prozent. Der Rest kommt aus dem Topf der Dorferneuerung.

Rückblick: 1804 drohte ein gewaltiges Hochwasser den Gutshof und die Mühle von 1778 wegzureißen. Die Flut stieg unentwegt. Flehende Gelübde erreichten den Himmel, die den Bau einer der Muttergottes geweihten Votivkapelle - bei Rettung vor den zerstörerischen Fluten - versprachen. Dort, wo das Wasser zum Stehen kam, errichteten schließlich die frommen Gutsleute die Kapelle. Sie ist noch heute im Besitz der gleichen Familie. Johann und Johanna Blumenthal kümmern sich in siebter Generation um das Kleinod. Stand vor Jahren, mit Hilfe der Landesdenkmalpfleger, die Reparatur des maroden Daches an, ist es jetzt die Komplettrestauration. Günther Stanzl vom Landesamt für Denkmalpflege (LAD) erklärt: "Die Votivkapelle ist zwar Volkskunst, aber hier waren definitiv Könner am Werk. Ungemein Interessantes kam bei der Expertenuntersuchung zu Tage."Ungewöhnliche Inschrift für eine solche Kapelle

Danach zeigt der Innenraum der Kapelle sieben unterschiedliche Fassungen der Gestaltung auf, die "den kleinen Raum zu einem Kompendium von Zeitstilen macht". Die Eigentümer trugen dem Gelübde Rechnung und schmückten die Kapelle je nach Geschmack und Generation. Stanzl: "Die anspruchsvolle malerische Innenfassung des knapp vier Meter hohen Raumes hebt die Kapelle über den Durchschnitt ländlicher Sakralbauten in Rheinland-Pfalz." Die Voute (Hohlkehle zwischen Decke und Wand) zeuge von einem barocken Deckentyp. Darunter liegt ein 15 Zentimeter hohes, mehrmals überstrichenes Schriftband (wahrscheinlich aus der zweiten Fassung). Stanzl bezeichnet die lateinische Inschrift als "durchaus außergewöhnlich in einer ländlichen Kapelle". In vier Anrufungen aus der lauretanischen Litanei werde die Muttergottes um Fürbitte bei Gott gebeten. Dieses Schriftband soll restauriert werden. Ebenso wie das Christogramm "IHS" über dem Altartisch und die 30 Zentimeter hohen Jugendstil-Ornamente neben der Tür. Die Arbeiten sind eine Herausforderung für das Restauratoren-Paar Frank und Clara Bimmermann. Sie zeigen auf die mehreren Wandschichten und erklären die Endfassung: "Die Jugendstil-Ornamente liegen unter dem Schriftband. Um allem gerecht zu werden, werden die Schriften erneuert und die Ornamente als Fragmente neben der Eingangstür restauriert." Die Restauratoren verstehen sich als freie Künstler, die vieles vom Handwerk verstehen, denn Handwerk gehöre zur Kunst. Ihre Fertigkeiten wurden an der Nohner Votivkapelle schon in vielfacher Hinsicht gebraucht. Jürgen Ehlenz von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises erklärt: "So wurde die Kapelle nicht in moderner Methode, sondern in traditioneller Technik trocken gelegt." Lehmpackungen statt Bitumenpappe verhindern das Eindringen von Nässe. Außerdem hat Frank Bimmermann im Dachgewölbe zuerst das Weidenruten-Geflecht geflickt und es dann von oben und unten mit Lehmputz verstärkt. Er erinnert sich: "Die Zementplomben aus früheren Flickarbeiten und die genagelten Latten hielten nicht lange." Für den "unsäglichen" Klinkerboden hat Bimmermann als Ersatz Grauwackeplatten mit bruchrauer Oberfläche aus einem Abbruchhaus besorgt. Das Fundament der Kapelle war teilweise vom Wurzelwerk eines großen Ahornbaumes geschädigt. "Der Ahorn ist so alt wie die Kapelle und steht unter Naturschutz. Gemeinsam mit einem Baumspezialist haben wir das erledigt", erklärt Ehlenz. Die Denkmalpfleger sind von Bimmermanns Arbeit begeistert und sagen: "Hier wird mit viel Zeit und Einfühlungsvermögen restauriert. Sie machen mehr als am Ende unten auf der Rechnung steht." Ende des Jahres soll das 50 000 Euro Projekt, finanziert zu 90 Prozent vom LAD und zu zehn Prozent von der Dorferneuerung, fertig sein.

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