Warum die kleine Luisa so besonders ist

Gerolstein · Seit heute sind die Tage der Geburtshilfestation im Krankenhaus Gerolstein offiziell gezählt: Die Abteilung ist nach einem halben Jahrhundert am jetzigen Standort geschlossen worden. Nicht nur die: Auch die Gynäkologie macht dicht, da der langjährige Belegarzt Karl-Heinz Schnabel sich dem Krankenhaus in Daun angeschlossen hat. Einen Nachfolger sucht die Klinikleitung nicht.

 Ute und Günter Theisen aus Wallenborn freuen sich. Im Krankenhaus in Gerolstein ist ihr erstes Kind auf die Welt gekommen: die kerngesunde Luisa. TV-Foto: Mario Hübner

Ute und Günter Theisen aus Wallenborn freuen sich. Im Krankenhaus in Gerolstein ist ihr erstes Kind auf die Welt gekommen: die kerngesunde Luisa. TV-Foto: Mario Hübner

Gerolstein. Ute und Günter Theisen aus Wallenborn zählen derzeit zu den glücklichsten Menschen der Welt. Am Montag vor einer Woche haben sie ihr erstes Kind bekommen: die kerngesunde Luisa. Der kleine Erdenbürger ist zwar stattliche 52 Zentimeter groß, aber nur 2245 Gramm leicht - und eines der letzten Kinder, die im Krankenhaus Gerolstein geboren werden. Derzeit warten noch vier Schwangere im Krankenhaus auf ihre Entbindung. "Sie wollte halt noch unbedingt in Gerolstein zur Welt kommen und war deswegen zwei Wochen früher dran als geplant. Eigentlicher Termin war der 6. Juli", sagt Mama Ute.
Es hat sich natürlich auch bei den Theisens herumgesprochen, dass die Klinikleitung angekündigt hat, die Geburtshilfestation im Gerolsteiner Krankenhaus wegen dauerhaft zurückgehender Geburten Ende Juni zu schließen. "Wegen der Ankündigung haben wir uns natürlich auch in Daun schlaugemacht, sind aber froh, dass es noch in Gerolstein geklappt hat. Denn Dr. Schnabel ist seit Jahren mein Frauenarzt, hier habe ich alle Kurse mit meiner Hebamme gemacht, und hier haben wir uns auch bereits alles genau angesehen", berichtet die glückliche Mutter. Und weil die Geburt unkompliziert lief, Mutter und Kind wohlauf sind, und die Schwestern alle sehr nett und freundlich sind, "bin ich sehr froh und zufrieden", sagt Ute Theisen, die auch von Klinikverbund-Direktor Hans-Jürgen Krämer und Kliniksprecher Heribert Frieling Glückwünsche entgegennimmt.
"Ja, so ein kleiner Mensch ist immer wieder ein Wunder", entfährt es Frieling dann auch beim Anblick der kleinen Luisa. Die Entscheidung, die Geburtshilfestation zu schließen, ist aber unumkehrbar (trotz der von der Stadt initiierten Unterschriftenaktion/der TV berichtete), sagen Krämer und Frieling und verweisen auf die seit Jahren zurückgehenden Geburtenzahlen. "Die 400 Geburten, die man im Jahr haben muss, um über die Runden zu kommen, gab es in der Geschichte des Gerolsteiner Krankenhauses nur drei Mal", sagt Krämer, in den 1990er-Jahren (siehe Extra). Die Schließungsankündigung sei im Haus zwar Thema gewesen, große Aufregung habe es aber nicht gegeben. Wohl auch, weil die Pflegekräfte auf andere Stationen verteilt werden und niemand seinen Job verliert.
"Bedauern ja, aber auch Verständnis", fasst Krämer die Stimmung zusammen. Frieling fügt hinzu: "Das war vor rund zehn Jahren in unserem Haus in Adenau noch ganz anders: Da gab es Bürgerproteste und Transparente. Aber da hatte auch noch niemand das Thema Demografie auf dem Schirm."
Im Krankenhaus Gerolstein kommt es zu einem zusätzlichen Einschnitt, denn mit den drei Hebammen verabschiedet sich nach Auskunft des Direktors auch der langjährige Belegarzt Karl-Heinz Schnabel. Krämer sagt: "Wir haben ihm angeboten, dass er bei uns weiterhin seine gynäkologischen Leistungen anbietet, aber er hat abgelehnt. Er geht nach Daun." Die Suche nach einem Nachfolger wird es laut Klinikleitung nicht geben. "Das haben wir ja schon vor wenigen Jahren mal versucht. Ohne Erfolg. Und das wird heute nicht anders sein", sagt Krämer.
Extra

Die Geschichte der Geburtshilfeabteilung im Krankenhaus in Gerolstein ist 63 Jahre alt. Zur Eröffnung des Krankenhauses in der Raderstraße (jetzige Polizei) am 19. November 1912 gab es noch keine Geburtshilfestation. Erst 1950 wurden in dem Haus ein Entbindungs- und ein Säuglingszimmer sowie eine Wöchnerinnenstation eingerichtet. So wurde laut Krankenhauschronik der Umstand beseitigt, dass "Männer, Frauen und Wöchnerinnen auf einer Station untergebracht sind". Mit dem Neubau des Krankenhauses am jetzigen Standort 1960 wurden folgende Stationen eröffnet: Chirurgie, Innere Medizin, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie Gynäkologie und Geburtshilfe. Noch in der ersten Nacht wurde im Krankenhaus ein Kind zur Welt gebracht, am Tag darauf sogar zwei Kinder. Die beiden letzten Abteilungen hatten 1973 20 Betten, 2010 15 Betten und seit 2009 noch zehn Betten. Nun sind die Abteilungen geschlossen worden. mhExtra

Das Krankenhaus Gerolstein hat die Geburtenzahlen seit 1978 dokumentiert: insgesamt 9406. Im Durchschnitt waren dies 269 pro Jahr. Nur in drei Jahren wurden jeweils mehr als 400 Kinder zur Welt gebracht, die laut Klinikleitung für den wirtschaftlichen Betrieb einer Geburtshilfestation nötig sind: 1990 (420), 1993 (416) und 1992 (409). Seit 2003 sind es weniger als 2000 Geburten. 2011 wurden die wenigsten Kinder zur Welt gebracht: 125. mh

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