Was Napoleon an den Eifelpferden schätzte

HILLESHEIM. (fs) Als Straßenbezeichnung eines ehemals ausgeprägten Handwerkszweiges ist die Gerbereigasse erhalten geblieben. Sie zweigt von der Bachstraße ab und führt wenige Meter in Richtung Katharinenstift, wo die Gerberei Schlacks neben der Kölner Straße Lohegruben unterhielt. Sie mündet in den Schützenweg.

Gerbstoffreiche Rinde von jungen Eichenstämmchen lieferte den mit Wasser angesetzten Sud, die Lohe. Die von den Bauern gelieferten Tierhäute kamen schichtweise in die mit Gerberlohe gefüllten Gruben. Nach Wenden und Stoßen gelangten sie bei einem monatelangen Prozess zu Leder. "Die Eiche als Brotbaum" diente den Gerbern und ihren Gehilfen zum Lebensunterhalt, ebenso Loheschälern, Müllern und Fuhrmännern. In den Wirren des 30-jährigen Krieges wird nur von einer Gerberei berichtet, wobei anzunehmen ist, dass durch mehrmalige Brände im kleinen Ortskern in enger, verwinkelter Holzbauweise viele Aufzeichnungen verloren gingen. Später sollen zeitweise bis zu sieben Gerbereien in Betrieb gewesen sein. Hillesheim galt seit dem Mittelalter als bedeutender Marktort und beherbergte eine Vielzahl von verschiedenen Berufen. Von der Obrigkeit angeregt, gründeten sich auch in Hillesheim Zünfte. Auf dem erhaltenen Zunftsiegel von 1660 sind Symbole der Maurer, Schreiner, Schlosser, Schmiede und Steinmetzen zu finden. Zeichen des Gerbereihandwerks sind auf Wegekreuzen und Hausmarken einzusehen. Die Zunftordnung von 1751 besagt: "Ihnen gleich andere in unserem Erzstift eingesessene derlei Handwerkern eine Zunftordnung abfassen und bekräftigen. Von Gottes Gnaden, WIR Franz Georg, Erzbischof von Trier." Kaiser Napoleon von Frankreich schätzte die zähen und genügsamen Eifelpferde und ebenso ihre Ledergeschirre. Roger Mêtre von der Agentur "commission du comerce" ließ in Hillesheim um 1795 ein Magazin für ganze Häute, Tuche und andere Versorgungsgüter der Armee anlegen. Die seit 1816 im Amt tätige preußische Regierung forderte für ihre Soldaten Leder aus der Eifel zur Weiterverarbeitung an. Ende der 1920er-Jahre erwarb Dechant Rosen die stillgelegten Betriebsstätten der Gerberei Schlacks an der Kölner Straße und zog vom zu klein gewordenen alten Pfarrhaus gegenüber der Kirche in das geräumige Gebäude. "Als junger Bursche legte ich dem Dechant einen Hausgarten an, worüber er und seine dienstbaren Hausgeister mir noch lange dankbar waren", erzählt Josef Meier (92). Bis Anfang der 1980-er Jahre arbeitete die Gerberei Zinzius an der Augustinerstraße, ehe sie aus Nachfolgergründen schließen musste. Hanna Zinzius (81) berichtet, dass ihr Schwiegervater Roland Zinzius in Kaiserzeiten die Gerberei im vorherigen Kloster von der Familie Schlacks erwarb und mit Goldmark bezahlte. Die Genehmigung zur Inbetriebnahme erteilte der Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz. Im Hof befanden sich 25 Lohegruben, die mit starken Eichenbohlen ausgekleidet waren. "Die Häute kamen zur Enthaarung in eine Kalkbrühe, ehe sie in die Lohegruben kamen. Pferdefuhrwerke lieferten Eichenrinde, die auf dem Lohespeicher zerkleinert wurden. Mein Mann Hans legte Wert darauf, dass gutes Leder wie Treibriemen für die landwirtschaftlichen Maschinen und Sohlenleder für die Schuhindustrie zur Auslieferung kamen", erinnert sich Hanna Zinzius.

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