Zeitzeugen-Bericht Quarantäne – für die Menschen früher war sie die letzte Station

Daun · Blick zurück: Infizierte Menschen wurden früher aus der Gemeinschaft verbannt, verloren ihre Rechte und vegetierten oft in Siechhütten vor sich hin. Ein Zeitzeuge erinnert sich.

 Das Pestkreuz bei Neukirchen wurde 1609 errichtet.

Das Pestkreuz bei Neukirchen wurde 1609 errichtet.

Foto: TV/Alois Mayer

Das Wort „Quarantäne“ gehört in Zeiten der Corona-Pandemie zum  Alltag. Diese Absonderung ist mehr als unangenehm. Dennoch sind heutige Quarantäne-Maßnahmen erträglich; man kann in seinem Haus bleiben,  Medien und elektronische  Kontakte nutzen und sich auch medizinischer Versorgung und vieler Vorräte erfreuen. Da hatten es unsere Vorfahren viel schwerer:

Früher wurden von einer Seuche befallene Personen  gänzlich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, weit außerhalb menschlicher Siedlungen verwiesen oder in Siechenhäusern untergebracht, da es damals gegen  epidemische Krankheiten  keinen Schutz und keine Heilmittel gab. In solche Siechenhäuser  – in Holland heißt Krankenhaus bis heute: ziekenhuis – wurden Aussätzige (Lepra), an Pest, Pocken oder anderen Erregern Erkrankte untergebracht. Gerade für die Landbevölkerung waren solche isolierten „Siechenhütten“ fernab ihrer Ortschaften ihre letzte Station im Leben. Ihre primitiven Unterkünfte waren meist von einer Mauer umgeben und wiesen einen eigenen Begräbnisplatz aus. Die Isolierten waren sich in ihren Unterkünften selbst überlassen, mussten sich selbst versorgen, waren deswegen auf die Almosen und Mildtätigkeit von Mitmenschen angewiesen. Um Nahrung und Geld bettelnd zogen sie umher, wobei sie aber durch Klappern, Rufen oder Schellen auf ihre Infektionsgefahr hinwiesen. Almosen oder Esswaren, auf die Erde oder an einem bestimmten Ort abgelegt, durften die ausgesonderten Menschen erst an sich nehmen, wenn der Geber nicht mehr in der Nähe war. Die Ortschaften selbst durften sie nicht betreten. Sie waren aus der Gemeinschaft der Gesunden verstoßen, besaßen keine bürgerliche Rechte mehr und vegetierten meist bis zu ihrem Tode dahin.

Mückeln hatte einen eigenen Pestfriedhof an der Straße nach Scheidweiler, denn man wollte „von Mückeln aus die Toten nicht mehr auf den Friedhof nach Strohn bringen, man grub sie am Wege nach Strohn ein, bei den Zwei Kreuzen“.In Strohn standen rasch erbaute Hütten auf der Flur, die bis heute noch ‚Siechenfeld‘ heißt und ebenfalls ein Siechenhaus auf dem Bann Schalkenmehrens am Südhang des Mäuseberges auf der Gemarkung Tommerscheid.

In Berndorf finden sich schriftliche Belege von einem „Sieghaeuschen und Sichhäusgen“, fast einen Kilometer von der alten Kirche entfernt am Weg nach Kerpen. Heute weist noch ein Siechkreuz, auch Pestkreuz genannt, auf diesen Qurantäne-Ort hin.

In Demerath finden sich in der Flur Lautershausen wenige Geröllhaufen, Reste von Gebäuden, von denen das Schöffenweistum von Wollmerath im Jahr 1403 schreibt, „... da wo einer siechen Frauen Haus gestedt hat.“ Andere Belege sprechen von einem ‚Siechfrauenhaus‘. Eine höchst seltene und seltsame Bezeichnung. Erkrankten nur Frauen? Wo blieben denn die aussätzigen Männer? Oder war es letztlich lediglich eine einzige an Lepra erkrankte Frau, für die dieses kleine Haus fernab des Dorfes erbaut worden war? Oder ist dieses Siechenhaus die Stiftung einer adligen Frau?

Im Jahr 1882 brachen Menschenpocken aus. Viele Menschen erkrankten und starben. Auch in Mehren griff blitzschnell die Krankheit um sich, breitete sich über die Dorfgrenzen aus, steckte zahlreiche Bewohner in den Nachbarorten an. Der Dauner Landrat und sein Kreisarzt verhängten Quarantänemaßnahmen und strenge Ausgangssperren für Vieh und Leute der Dörfer Mehren, Darscheid, Steiningen und Schönbach. Der Umgang mit den Erkrankten und deren Angehörigen in diesem Sperrbezirk war unter schärfsten Strafen verboten. Keiner durfte sein Dorf verlassen oder betreten. Vor Daun standen zwei „Gesundheitshäuschen“, in denen jeder, der in die Stadt hinein wollte, sich „ausräuchern“ lassen musste.

Die Dorfschulen in den genannten Orten schlossen für sieben Wochen. An den betroffenen Häusern warnten Tafeln mit roter Schrift: „Hier herrschen die schwarzen Pocken!“

24 Opfer forderte diese Seuche in Mehren und in Steiningen, sechs Erwachsene und ein Kind starben in Schalkenmehren. Noch am gleichen Tag wurden sie ohne Pfarrer und Trauergäste, ohne Glockengeläut und ohne  Angehörige beerdigt. 

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