"Was zählt, sind Zahlen, Daten, Fakten"

Wer wird am 19. September Nachfolger von Karl-Heinz Schwartz, der als Stadtbürgermeister von Gerolstein zurückgetreten ist? Mit den beiden freien Bewerbern hat TV-Redakteur Mario Hübner gesprochen. Heute lesen Sie das Interview mit Bernd May.

 Zuhören, argumentieren, lächeln: Der 51-jährige Immobilenmakler Bernd May will neuer Stadtbürgermeister von Gerolstein werden. TV-Fotos: Anke Scholz (3)

Zuhören, argumentieren, lächeln: Der 51-jährige Immobilenmakler Bernd May will neuer Stadtbürgermeister von Gerolstein werden. TV-Fotos: Anke Scholz (3)

Gerolstein. (mh) Im TV-Interview äußert sich Stadtbürgermeisterkandidat Bernd May zu den Beweggründen seiner Kandidatur, der politischen Kultur in Gerolstein und dem Spagat zwischen Beruf und Ehrenamt.

Herr May, warum haben Sie sich beworben?

Bernd May: Einige Dinge, die in den letzten Jahren in Gerolstein politisch entschieden wurden, habe ich kritisch hinterfragt. Da hätte ich als Bürger gerne mehr gewusst, wieso so entscheiden wurde und wieso sich Dinge so entwickelt haben. Beispiel Leichenhalle oder nun aktuell Kindergarten. Ich denke, viele Probleme, die dabei entstanden sind, waren rein parteipolitisch begründet. Bei mir fällt diese Angriffsfläche weg, da ich noch nie ein Parteibuch besessen habe. Zudem bringe ich für das Amt weitere gute Voraussetzungen mit: eine klassische Verwaltungsausbildung, 15 Jahre Verwaltungspraxis und jahrelange Erfahrung als Selbstständiger. Und weil ich nun politische Verantwortung übernehmen will, das zeitlich auch managen kann und meine Familie dahintersteht, kandidiere ich.

In der Gerolsteiner Stadtpolitik herrscht seit geraumer Zeit ein, um es gelinde auszudrücken, rauer Umgangston. Wie wollen Sie die politische Kultur verbessern?

May: Ich bin seit 20 Jahren selbstständig und habe teilweise auf hohen Ebenen Verhandlungen geführt. Da müssen die Gespräche zielorientiert sein, da dürfen persönliche Dinge keine Rolle spielen. Zunächst einmal geht es bei mir um Zahlen, Daten, Fakten. Es geht darum, Dinge auf eine sachliche Ebene zu bringen und zu besprechen. Wenn ich dann merke, dass Leute nicht miteinander können, dann werden wir Gespräche führen, um diese Dinge zu bereinigen.

Wie bewerten Sie den Abgang von Karl-Heinz Schwartz?

May: Das kam für mich, wie wohl für 99 Prozent der Bevölkerung, sehr überraschend. Ich kenne die Gründe nicht, finde es aber schade, weil ich ihn mag und er meines Erachtens nach die Aufgabe gut gemacht hat.

Worin sehen Sie im Fall Ihres Siegs Ihre primäre Aufgabe?

May: Zunächst einmal wird es darum gehen, nach dem Abgang von Karl-Heinz Schwartz wieder zur sach- und themenorientierten Politik zurückzufinden und ein gedeihliches Miteinander zu realisieren.

Zu konkreten Projekten: Wie soll es in Sachen Kindergarten weitergehen?

May: Ich möchte mich zu laufenden Projekten nicht äußern, da ich dazu nicht genügend Detailinformationen habe.

Die Bürger erwarten aber Aussagen von Ihnen. Vielleicht nicht, was schiefgelaufen und wer schuld ist, aber wie es weitergehen könnte. Also beispielsweise, ob die Sanierung der Lindenanlage ein Thema ist oder auch die Einrichtungen in den Stadtteilen miteinbezogen werden müssen. Nun?

May: Ja, man darf in der Tat nicht nur auf die Kernstadt blicken, sondern muss auch fragen, ob es den Eltern nicht zuzumuten ist, ihr Kind in einen acht Kilometer entfernten Kindergarten zu schicken.

Und diese Frage werden Sie stellen?

May: Ja.

Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

May: Beim Bahnhof. Der ist, und das sage ich als Touristiker, für viele Urlaubsgäste und auch Vorbeifahrende der erste Eindruck von Gerolstein - und zwar ein denkbar schlechter. Der Bereich ist Ortsmittelpunkt, und in Zukunft wird die Bahn für viele Ältere immer wichtiger.

Wären Sie bereit, für eine Sanierung von Bahnhof und Bahnhofsumfeld weitere Schulden aufzunehmen, obwohl Gerolstein bereits bis über beide Ohren verschuldet ist?

May: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Zunächst einmal muss ein Konzept erstellt werden, um zu wissen, über welche Summen wir konkret sprechen. Und dann wird man möglicherweise auch nach interessierten privaten Investoren suchen und Gespräche führen müssen.

Apropos Privatinvestor. Sie sind Immobilienmakler und wollen zudem Stadtbürgermeister werden. Wie wollen Sie mit diesem Interessenkonflikt umgehen?

May: Den sehe ich nur in der Fantasie der Leute. Wer Honig will, muss halt auch Bienen akzeptieren. Das Amt des Stadtbürgermeisters ist ein Ehrenamt, und mit meinem Hauptberuf muss ich unter anderem auch eine Familie ernähren. Ich werde also meinen Job weiterhin machen. Sie können aber sicher sein, dass ich mich aus sensiblen Bereichen raushalten und diese in Geschäftsbereiche unter anderer Verantwortlichkeit delegieren werde. Außerdem: So ein Ehrenamt kann auch Nachteile mit sich bringen, denn einige Geschäftsfelder werden vermutlich künftig außen vor bleiben.

Worin sehen Sie Ihre Stärken?

May: Meine echte Parteiunabhängigkeit, die Kombination aus Verwaltungswissen und beruflicher Erfahrung als Selbstständiger, und nicht zuletzt, dass ich seit ewigen Zeiten in Gerolstein wohne. Daher kenne ich viele Leute in der Region sowie deren Ängste und Unwillen.

Wo liegen Ihre Schwächen?

May: Vielleicht bin ich zu offen und ehrlich. Für einen Politiker möglicherweise zu sehr. Als Parteistratege tauge ich definitiv nicht. Aber eigentlich überlasse ich es meinen Gegnern, diese zu finden.

Morgen lesen Sie im TV das Interview mit Kandidat Knut Wichmann. Zur Person Bernd May ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat eine 18-jährige Tochter. Der gebürtige Densborner lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Gerolstein, hat im Rathaus eine klassische Verwaltungslehre absolviert und fortan mehrere Jahre vor allem im Bereich der Tourismusförderung gearbeitet. Anschließend studierte er BWL und ist seit 1990 selbstständiger Immobilien- und Versicherungsmakler sowie Finanzdienstleister. (mh)

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