Weltenbummler mit verschiedenen Gesichtern

GEROLSTEIN. Lyrik zum Schmunzeln, Lyrik zum Nachdenken, Lyrik für einen guten Zweck – Karl Kochs rezitiert am 13. Juli Gedichte von Morgenstern, Ringelnatz und Tucholsky zu Gunsten des Unicef-Projekts "Schulen für Afrika". Der TV besuchte den 69-jährigen gelernten Schauspieler, Drogisten, Kaffeeverkäufer und Ex-Chef einer eigenen PR-Agentur.

"Wotan, komm her, sitz", ruft Kochs durchs liebevoll restaurierte Bauernhaus, als es an der Haustür klingelt. Der griechische Hund versteht zwar jedes Wort, springt trotzdem übermütig durch den Flur. Tierliebhaber Kochs, leidenschaftlicher Reiter mit Faible für die Eifel und Kreta, nimmt's gelassen. Das Winterhalbjahr verbringt er, seitdem er 1999 die PR-Agentur in Köln verkauft hat, gemeinsam mit Ehefrau Marita auf Kreta; das Sommerhalbjahr im ausgebauten Bauernhaus in der Eifel, das das Ehepaar 1982 als Wochenendhaus erstand. "Den Morgenstern hab ich mir vor zwei Wintern auf Kreta erarbeitet", sagt Kochs. "Morgenstern ist ein poetischer Realist. Seine Gedichte leben mehr von der Form als vom Wort", meint er. Den quirligen Rezitator hält nichts mehr auf dem Stuhl. Er geht zum Schreibtisch und kommt mit einem Plakat zurück. Morgensterns Gedicht "Trichter" steht in Trichterform darauf geschrieben. So wie die Flüssigkeit durch einen Trichter läuft, so rezitiert Kochs das Gedicht. Erst spricht er langsam, dann immer schneller. Er versteht nicht nur das Spiel mit der Sprache, sondern auch mit der Spannung. Neue Perspektiven suchte der gebürtige Kölner 1958, als er als Kriegsgegner ("Weil Adenauer mit der Bundeswehr anfing") nach Kanada auswanderte. Jahre zuvor war er vom elitären Drei-Königs-Gymnasium geflogen. "Auf dem Abgangszeugnis stand: Er verlässt die Anstalt, um einen praktischen Beruf zu erlernen", erinnert sich Kochs. Er machte erst eine Lehre als Drogist, dann als Schauspieler. Kochs war einer der ersten sechs Schüler in der Schauspielschule des Keller-Theaters Köln: Bühnenfechten, Stepptanz, Dramaturgie, Schauspiel. Mit der Sprecherziehung hatte er schon neun Monate vorher begonnen. Ob er den Anfang dafür bei den Sprechchören im Gymnasium legte, als er gemeinsam mit den Mitschülern die Lehrer aus den Klassen ekelte, will der dreifache Vater und Opa nicht verraten. Auf dem Auswanderungsschiff nach Kanada kam ihm sein Wissen zu Gute. Er bot in einem Ein-Stunden-Programm Ringelnatz, Rilke und Heine feil. Kein Wunder, dass er heute unzählige Ringelnatz-Gedichte aus dem Stehgreif beherrscht. Ringelnatz "Ein ganzes Leben" bildet die zweite Hälfte der Benefizlesung. Viele Jahre gehörte die Lyrik nicht zu Kochs Berufsleben. In Kanada hatte er bei der Jobsuche gesagt, er habe ein "drugist-college" besucht. Die Kanadier interpretierten, er sei Apotheker. In mehreren Labors sammelte Kochs Erfahrung. Durch Zufall landete er nach seiner Rückkehr bei einer Düsseldorfer Pharma-Firma. Er arbeitete sich bis zum PR-Chef hoch. 1980 machte er sich mit einer PR-Agentur, speziell auf die Pharma-Industrie zugeschnitten, selbstständig. Ehefrau Marita verkaufte ihre Kunstgalerie und stieg mit ins PR-Geschäft ein. Gemeinsam brachten sie so manchen harten Geschäftspartner zum Schmelzen. Gerade so wie Ringelnatz "liebestoller Seufzer", der beseelt von glühenden Gefühlen auf dem Eis Schlittschuh fährt bis es schmilzt. Die Lesung beginnt am Mittwoch, 13. Juli, um 19.30 Uhr in der Aula des St.-Matthias-Gymnasiums Gerolstein. Der Eintritt ist frei. Es wird um Spenden für die Unicef-Aktion "Schulen für Afrika" gebeten.

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