Wider das Vergessen

GEROLSTEIN. (red) "Für viele Jugendliche und Erwachsene sind Nationalsozialismus und Judenverfolgung Vergangenheit und ohne Bedeutung für die Zukunft", meinte Christa Karoli, stellvertretende Vorsitzende des Forums Eine Welt, bei der Eröffnung der Gedenkveranstaltung für Opfer des Nationalsozialismus in Gerolstein.

Dies sei, so Karoli, aber ein Irrglaube: "Die Vernachlässigung dieses Themas fördert das Erstarken von Rassismus und Rechtsextremismus." Von der "Notwendigkeit, alles zu tun, um eine Wiederholung des schrecklichen Geschehens zu verhindern", sprach auch Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die vom Forum Eine Welt zusammengestellte Dokumentation über die Gerolsteiner Juden, die in Kürze als Buch unter dem Titel "Gegen das Vergessen. Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" erscheinen werde. Dass das Netz der nationalsozialistischen Konzentrationslager bis in unsere Region reichte, war vielen Menschen wenig bekannt. Über das Sonderlager Hinzert bei Trier informierte Georg Mertes vom "Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte ehemaliges KZ Hinzert". Mehr als 13 000 Männer aus über 20 Ländern seien in dem SS-Sonderlager unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert gewesen: Obwohl die Unterkünfte und die Verpflegung nur für etwa 500 Häftlinge berechnet waren, vegetierten durchschnittlich 1000 Gefangene in diesem Lager. Mehrere hundert Menschen seien ermordet worden. Im vergangenen Dezember wurde das neue Dokumentations- und Begegnungshaus fertig gestellt. Von Brigitte Blinn, Amaia Olea und Klaus Heller wurden Bücher vorgestellt, in denen sich Überlebende des Holocaust oder deren Nachkommen mit dem Genozid beschäftigen. Brigitte Blinn las Auszüge aus dem "Roman eines Schicksallosen" von Imre Kertesz, der aus der Perspektive eines staunenden Kindes über seine Erlebnisse in Auschwitz berichtet, sowie aus Gila Lustigers Buch "So sind wir". Die 13-jährige Amaia Olea hatte sich einen Textauszug aus Hetty Verolmes Roman "Wir Kinder von Bergen-Belsen" ausgewählt, Klaus Heller zeigte am Beispiel von George Taboris "Mutters Courage", dass der SS-Terror durch das sprachliche Mittel der Komik keineswegs gemildert wird. Texte und Musik regen zum Nachdneken an

Zu Beginn der Lesung hatte Klaus Heller das Leitwort der Gedenkveranstaltung "Das Unbeschreibliche beschreiben" erläutert. Die Veranstalter hätten dieses Leitwort gewählt, um damit anzudeuten, dass die künstlerisch-literarische Beschäftigung mit dem Holocaust auch über 60 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz immer noch kontrovers diskutiert werde. Er zitierte unter anderem Adornos Satz von der "Unmöglichkeit, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben". Auch der musikalische Teil der Gedenkstunde folgte unterschiedlichen Formen. Während das Regino-Klarinettentrio unter der Leitung von Thomas Rippinger eher heiter-melancholische jiddische Musik gewählt hatte, trug Barbara Spoo zwei Kompositionen von Friedrich Leufgen vor, die von einer bedrückenden Schwermut geprägt waren.

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