Wie ein junger Musicaldarsteller aus Daun es geschafft hat, die großen Bühnen Deutschlands zu erobern

Daun/Berlin · Berlin, Hamburg, Kiel: nicht nur dort hat er schon gesungen, getanzt, geschauspielert. Sebastian Rousseau ist ein gefragter Musicaldarsteller. Aufgewachsen ist er in Daun. Mit dem TV hat er über seine neue Hauptrolle in Whoopi Goldbergs Sister Act gesprochen und darüber, warum er sich in der Eifel immer noch zu Hause fühlt.

Alle Augen sind auf den dünnen Mann mit den lockigen Haaren gerichtet. Selbstbewusst schaut Sebastian Rousseau zum Publikum rüber: "I could be like Grace Kelly", singt er. Ein kleines Mikrofon an seinem Mund verstärkt seine Stimme - und trägt sie durch den Hamburger Delphi-Showpalast. Die Bühne ist in ein violettes Licht getaucht. Auf dem Stuhl vor Rousseau sitzt eine junge Frau. Er frisiert ihr Haar, kämmt es mit einer Bürste durch. "I could be anything you like”, singt er im Falsett. "Anything you like" - alles was du willst. Heute ist er der Friseur Sigi Sommers - und die Hauptrolle in dem Musical Starcut. Und morgen? Vielleicht schon jemand anderes.

Das Video ist schon einige Jahre alt. Bei Starcut spielt Rousseau nicht mehr mit und der Delphi-Showpalast ist nur eine von vielen deutschen Bühnen, auf denen der gebürtige Dauner schon stand. Von Bremen bis Bayern, spielte er schon in Stücken wie Westside Story, Hair und dem Rockmusical Rent mit. "Alles Hauptrollen", sagt er.

Und erst kürzlich kam eine neue hinzu, oder besser gesagt acht: Denn so viele Charaktere wird Rousseau im Berliner Musical Sister Act verkörpern - vom Polizisten bis zum Ganoven. "Natürlich nicht alles an einem Abend", lacht er - sondern bei jeder Aufführung nur einen. "Swing" wird das im Musical-Jargon genannt - spielen können so eine Position nur besonders vielseitige Darsteller. Zu denen zählt offenbar auch Rousseau. Doch wie wurde aus dem Eifeler Jungen ein gefragter Bühnenkünstler?

Alles begann mit Starlight Express. Rund zwanzig Jahre ist es jetzt her, erinnert sich Rousseau: Zu Weihnachten schenkt seine Tante ihm Tickets für eine Aufführung des Musicals in Bochum. Der Besuch der Show für ihn: ein Schlüsselerlebnis. Die Lichter, die Lieder, die Kostüme - all das hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei dem damals neunjährigen Rousseau. Noch Jahre später dreht sich die Starlight-Express-CD in der Musikanlage des jungen Dauners. Und schon bald kann er jede Zeile, jede Note mitsingen.

Rousseau ist so begeistert von dem Stück, dass er Mitschüler und Lehrer dazu überredet, mit der Theatergruppe seiner Schule eine eigene Version des Musicals zu inszenieren. Aufgeführt wird sie im Dauner Wildpark - "mit Rollschuhen und allem drum und dran" und natürlich mit Rousseau in einer der Hauptrollen. Weitere Aufführungen mit der Schul-AG folgen. Zunächst bleibt das Schauspielern, das Singen, das Tanzen für ihn aber bloß Hobby.

Stattdessen beginnt er eine Ausbildung zum Lichttechniker. Er will Bühnen ausleuchten, Kulissen mit Farbe füllen. Doch schon bald regt sich in ihm wieder der Wunsch selbst im Rampenlicht zu stehen. Also schmeißt er hin und bewirbt sich bei einer Hamburger Musicalschule - ohne Erfolg. Zu jung sei er, sagten die Juroren, zu unerfahren. Ein Jahr später versucht er es wieder und wird angenommen - als einer von acht Schülern unter 700 Bewerbern. Danach geht die Karriere des damals 19-Jährigen steil bergauf. Schon während der Ausbildung ist er bundesweit in verschiedenen Theatern zu sehen, weckt das Interesse von Regisseuren und Intendanten.

?Und so hat er bald nach dem Abschluss sein erstes Engagement: Er soll im Musical Cabaret einen Kitkat Boy spielen - eine Nebenrolle. Aber trotzdem: Rousseau ist so aufgeregt wie nie zuvor. "Jetzt zählt es", denkt er. "Jetzt muss ich mich beweisen." Haben sich die sechs Wochen Proben gelohnt, sitzt die Choreographie? Irgendwie schafft er es dann doch sich zu beruhigen. Und als der Vorhang sich hebt, fällt der Druck von ihm ab. Was vielleicht ein wenig geholfen hat: Das Stück wurde bei den Burgfestspielen in Mayen aufgeführt - kaum mehr als eine halbe Stunde entfernt von Daun. "Es war praktisch ein Heimspiel", sagt er heute. Denn irgendwie hat die Eifel auf ihn eine beruhigende Wirkung. Hierhin kehrt er immer wieder gerne zurück, besucht seine Familie und alte Schulfreunde.

Wenn er gerade wieder zwischen Hamburg und Berlin hängt, zwischen Koffer ein- und auspacken, zwischen abreisen und ankommen - dann ist die Eifel für ihn ein Stück Zuhause, Stabilität. Der erste Ort, an den es ihn immer zieht: das Gemündener Maar. "Ich atme dort einmal durch und der ganze Stress ist weg", sagt er. Und dann ist er auch wieder bereit für den Trubel, "the show must go on", wie das Sprichwort sagt. Auch wenn sein Körper das wohl nicht ewig durchhalten könne, wie er zugibt: "Mit 50 werde ich nicht mehr bei Westside Story mittanzen können."

Und was dann? "Naja, es gibt ja auch immer noch einige Rollen für Väter oder Opas", sagt er. Da müsse man dann auch nicht mehr so viel tanzen, könne sich auf die Schauspielerei und den Gesang konzentrieren. Und wenn gar nichts mehr geht? Dann ziehe er vielleicht zurück in die Eifel, sagt er. Je älter er werde, desto reizvoller finde er die Vorstellung sich hier irgendwann ein kleines Häuschen zu kaufen. "Wie spießig", scherzt der 29-Jährige. "Früher hätte ich gesagt: niemals." Aber soweit sei es noch lange nicht. Jetzt geht es erstmal nach Berlin.

?Anfang September beginnen die Proben für Sister Act. Für Rousseau, der sich auf acht Rollen vorbereiten muss, werden sie besonders hart. Dann wird der Dauner wieder mehrere Stunden täglich tanzen, singen, Texte lernen, Szenen üben und wird sich doch fragen, ob er es vor der Premiere am 16. Oktober schafft. Schließlich will er Whoopi Goldberg nicht enttäuschen. Die US-amerikanische Schauspielerin führt Regie bei der Inszenierung. "Das Lampenfieber verfliegt nie völlig", sagt er.

Doch wenn er dann wieder im Rampenlicht steht, auf den Brettern, die zumindest für ihn die Welt bedeuten, dann wird er wieder so selbstbewusst wirken wie immer.

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