Wie viel Wald muss der Windkraft weichen?

Daun · Mais-Monokulturen, Photovoltaik- und Windkraftanlagen: Werden die Mittelgebirgslandschaften Opfer der Energiewende? Mit dieser Frage haben sich in Daun 150 Experten aus Politik, Verbänden und Interessengemeinschaften sowie Bürger beschäftigt. Der Tenor: Die Landschaft wird sich verändern, die Energiewende bietet aber Chancen für Kommunen - nicht nur wirtschaftlich.

 In Morbach bereits Realität: Windräder produzieren dort neben einer 1,1-Megawatt-Photovoltaik-Anlage Strom. TV-Foto: Ilse Rosenschild/Archiv

In Morbach bereits Realität: Windräder produzieren dort neben einer 1,1-Megawatt-Photovoltaik-Anlage Strom. TV-Foto: Ilse Rosenschild/Archiv

Daun. Es wurde nicht mit deutlichen Worten gespart bei der Ganztagesveranstaltung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) mit dem Thema "Wird die Eifellandschaft Opfer der Energiewende?" in Daun. Schließlich trafen extreme Positionen aufeinander bei Referenten vom Ministeriumsvertreter aus Mainz über den Bauernlobbyisten, den Konzernvertreter, den Energiewissenschaftler bis hin zum Naturschützer und Windkraftgegner. So sagte Martin Kleppe von der Bürgerinitiative "Sturm im Wald" aus Flesten bei Hillesheim: "Windenergie im Wald ist ein Verbrechen an Natur und Landschaft." Dem hielten mehrere Referenten Argumente entgegen. So sagte Professor Karl Keilen vom Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz: "Alle befürworten das Aus für die Atomenergie. Daher sollten wir die Energiewende als das sehen, was sie ist: eine Herausforderung und Chance der Zukunftssicherung, die uns günstigen und sauberen Strom und den Gemeinden neue Einnahmen ermöglicht." Seine Devise: möglichst wenige, aber dafür die leistungsstärksten Anlagen auf den ertragreichsten Standorten zu installieren. Und die befinden sich nun einmal auf den Höhenzügen der Mittelgebirge, wo zumeist Wald ist. Er rechnete vor: "Doppelte Windgeschwindigkeit bedeutet eine Verachtfachung der Stromproduktion." Johannes Pinn, Förster und Vorsitzender der Eifeler Energiegenossenschaft, sagte: "Windkraft kann durchaus umweltverträglich im Wald realisiert werden. Noch mehr: Im Wald sind optimale Standorte für Windkraftanlagen." Zudem seien das weitgehend Fichten-Monokulturen und daher keine besonders hochwertigen Naturräume. Dafür gab es nicht nur Zustimmung. Fakt ist aber: Nach der Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Landesregierung soll bis 2030 der Energiebedarf des Landes komplett aus erneuerbaren Energien stammen. Dafür will das Land bis zu zwei Prozent der Fläche zur Verfügung stellen. Das entspricht der Größe von rund 56 000 Fußballfeldern. Und mindestens 70 Prozent davon sollen mit Windkraft gewonnen werden.Anlass genug für den RVDL, nach den viel beachteten Veranstaltungen zum Aussterben der Dörfer und zum Lavaabbau in der Vulkaneifel, nun auch dieses heiße Eisen thematisch anzupacken. So meinte deren Vorsitzender Frithjof Kühn: "Es ist zweifelhaft, dass der gesetzlich geforderte Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Erhalt des Landschaftsbildes in der Eifel zu vereinbaren ist." Und das gelte gleichermaßen für den Hunsrück und den Hochwald. Zielsetzung der Tagung war laut Sibylle Bauer vom Regionalverband Eifel im RVDL, "über dieses Thema, in dem viel Energie steckt, aufzuklären und die Diskussion zwischen den Bürgern und Entscheidungsträgern voranzutreiben". Von zentraler Bedeutung sei es herauszufinden, wie die Energiewende die Mittelgebirgslandschaften verändere, die stark auf das Naturerlebnis und den Tourismus setzten. So meinte Heinz Onnertz, Landrat des Vulkaneifelkreises: "Eine Landschaft wie die Vulkaneifel, die stark auf Tourismus setzt, kann nicht dafür herangezogen werden, andere Regionen mit Energie zu versorgen - und zwar Regionen, die wirtschaftlich weitaus größere Chancen haben."Einhelliger Tenor: Die Energiewende wird die Landschaft in der Region deutlich verändern. Wildwuchs und riesige Monokulturen können aber verhindert werden. Und: Die Gemeinden können von der Dezentralisierung des Strommarkts stark profitieren. Alles eine Sache gründlicher Planung, guter Vorbereitung und maßvollen Handelns. Meinung

Experten befragen, mit Maß agieren Das Symposion des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz war eine hervorragende Möglichkeit, sich umfassend zum vielschichtigen Thema Energiewende zu informieren. Davon braucht es - wenn auch in kleinerem Rahmen - viele Nachfolgeveranstaltungen in der Region. Eigentlich in jeder Kommune. Denn es ist zwingend erforderlich, dass die Bürger in dieser für die kommenden Jahrzehnte zentralen Frage mitgenommen werden; zumindest aber die Möglichkeit haben, sich zu informieren. Denn eins ist klar: Nach dem beschlossenen Aus für die Atomkraft wird die Energiewende kommen. Und sie wird die Kulturlandschaft in Eifel, Hunsrück und Hochwald, die von Menschenhand geschaffen und stets verändert wurde, deutlich verändern. Das heißt aber nicht, wie vereinzelt behauptet wird, dass der Wald dadurch zerstört wird. Dennoch ist Vorsicht geboten: Kein Verantwortungsträger, ob Ortsbürgermeister eines kleinen Dorfes oder Landrat, darf sich angesichts der leeren Gemeindekassen von der derzeitigen Goldgräberstimmung und den vordergründig guten Angeboten der Windanlagenbetreiber zu schnellen Vertragsabschlüssen verlocken lassen. Vielmehr gilt es, mit Ruhe, Maß und Ziel zu agieren und sich vielfachen Expertenrat vor einer Entscheidung zu holen. Das betrifft: erstens die Auswahl der Standorte und zweitens die Eigenbeteiligung von Bürgern und Kommunen. Denn darin sind sich alle Experten einig: Am sinnvollsten für eine Region ist es, wenn sie selbst in erneuerbare Energien investiert - für ihre Einnahmen, für die Akzeptanz und für einen stabilen Strompreis. Drittens geht es ums Ausloten, wie Einnahmen auf alle Gemeinden verteilt werden können. Vor allem geht es darum, Energie zu sparen. Das fängt bei der Gebäudesanierung an, reicht über Straßenbeleuchtung und geht bis zu regionalen Energiekonzepten für Dörfer. Bewegende Zeiten. m.huebner@volksfreund.deExtra

Das Umweltplanungsbüro BGHplan aus Trier, das unter anderem die Flächennutzungspläne für die Verbandsgemeinden Hillesheim, Obere Kyll, Gerolstein und Prüm in Sachen Windkraft und Photovoltaik fortschreibt, stellt einen Vergleich auf: Für die Strommenge, die eine Windkraftanlage der Drei-Megawatt-Klasse erzeugt, bedarf es zwölf Hektar Solarmodule oder 300 Hektar Mais (für die Verwertung in einer Biogasanlage). mh Extra

Im Eifelkeis Bitburg-Prüm stehen 237 Windkraftanlagen, 47 Biogasanlagen und elf Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Im Landkreis Vulkaneifel stehen derzeit 97 Windkraft- und drei Biogasanlagen. Im Kreis Bernkastel-Wittlich stehen 28 Windräder: 13 in der VG Thalfang, 14 in Morbach und eines in der VG Bernkastel-Kues. mh Extra

Thomas Brühne, Geograf an der Uni Koblenz-Landau: "Wissenschaftlich ist belegt, dass der Mensch über lange Zeit eine ausgeprägte Gewöhnung an den Tag legt. Das gilt auch für Veränderungen des Landschaftsbildes. Wasserkraftwerke, die vor 100 Jahren gebaut wurden, werden 50 Jahre später unter Denkmalschutz gestellt und besucht. Nicht auszuschließen, dass das mit Windkraftanlagen auch passiert." Professor Peter Heck, Umweltcampus Birkenfeld: "Holen Sie sich nicht nur die Pacht - das sind lediglich Brosamen -, sondern investieren Sie selbst in Windkraft- und Photovoltaikanlagen, sichern Sie sich die Einnahmen und investieren Sie dieses Geld in ihre Kindergärten." Professor Karl Keilen, Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz: "Wir wollen die Partizipation und Teilhabe am Energieumbau. Daher sind wir für Eigenerzeugung, Bürgerkraftwerke, Bürgerenergieparks, Energiegenossenschaften und eine Rekommunalisierung der Netze." Gerd Schräder (RWE): "Die Herausforderungen zu mehr erneuerbarer Energie sind vielfach und schwer zu meistern. So werden die Speicherkapazitäten stark an Bedeutung zunehmen und die Stromnetze deutlich ausgebaut werden müssen." Wolfgang Wenghöfer, Vorsitzender der Landesaktionsgemeinschaft Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz: "Photovoltaikanlagen in der Freifläche sind eine Ergänzung zu anderen Formen der Energiegewinnung. Es muss aber einen Vorrang für Photovoltaik auf Dachflächen geben." Peter Wohlleben, Förster und Buchautor: "Wir vernichten Wälder und pflanzen heute Biomasse für Ökostrom an, wo früher Hafer für Kölln-Flocken angebaut wurden, und sorgen dabei für Kollateralschäden, die nicht wiedergutzumachen sind. Das ist makaber.mh/TV-Fotos (6): Mario Hübner

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