Wiesbaumer Wahlkampfquerelen abgehakt

Wiesbaum · Alles neu: In Wiesbaum kommt erstmals eine Frau an die Dorfspitze, zudem hat die CDU-Ära ein Ende. Karin Pinn ist mit 58 Prozent zur neuen Ortsbürgermeisterin gewählt worden - trotz anonymer Kampagne gegen sie.

 Hat künftig einen noch volleren Terminkalender: Wiesbaums designierte Ortsbürgermeisterin Karin Pinn. TV-Foto: Mario Hübner

Hat künftig einen noch volleren Terminkalender: Wiesbaums designierte Ortsbürgermeisterin Karin Pinn. TV-Foto: Mario Hübner

Wiesbaum. "Ich will eigentlich gar nicht mehr zurück-, sondern nur noch nach vorne blicken, denn ich freue mich total über das Ergebnis." Mit diesen Worten beschreibt die designierte Wiesbaumer Ortsbürgermeisterin Karin Pinn ihre aktuelle Gefühlslage gut eine Woche nach der Wahl.
Doch der Blick zurück muss sein, da der Wahlkampf in der letzten Woche vor dem Urnengang alles andere als gewöhnlich verlief. Nachdem lange Zeit nach dem überraschenden Rücktritt von Ortsbürgermeister Lothar Schütz (CDU) sich kein Nachfolger fand, drohte dem Dorf die Zwangsverwaltung.
Sofort das Gespräch gesucht



"Erst da habe ich mich intensiv mit einer Bewerbung befasst", sagt Karin Pinn, die zugleich FWG-Kreisvorsitzende und zweite Kreisbeigeordnete ist, in Wiesbaum aber als freie Bewerberin antrat. Sie führte Gespräche mit den Ortsbeigeordneten und mit dem Gemeinderat. "Denn ich wollte für meine Kandidatur erstens eine breite Unterstützung, und zweitens sollte nie das Gefühl aufkommen: Die macht jetzt was ohne uns." Von Kritik oder Ablehnung sei nichts zu spüren gewesen. Im Gegenteil. So gab sie ihre Bewerbung mit den notwendigen Unterstützerunterschriften ab.
Als sie dann aber nach einem dreiwöchigen Urlaub zurückgekehrt sei, hätten ihr Freunde gesagt, dass etwas gegen sie im Busch sei, erinnert sich Pinn. Von einem Schattenkandidaten war die Rede. Der würde im Fall einer Wahlniederlage in die Bresche springen und sich vom Gemeinderat wählen lassen.
In der Tat wäre es so gewesen, dass die Kandidatin durchfällt, wenn 50 Prozent der abgegebenen Stimmen Neinstimmen gewesen wären.
Dazu kam es aber nicht. Und auch den Schattenkandidaten gab es letztlich nicht. Beigeordneter Werner Zens (CDU) war als solcher gehandelt worden. Er hatte aber in der Zwischenzeit mehrfach geäußert, dass er, nachdem es eine Kandidatin gab, für das Amt des Ortsbürgermeisters nicht zur Verfügung steht.
Dennoch wurde Stimmung im Dorf gegen die Kandidatin gemacht: mit großformatigen, nachgemachten Wahlzetteln, auf denen ein Nein angekreuzt war. Karin Pinn sagt, dass sie die Aktion "nicht getroffen" habe. Sie meint: "Ich glaube, das war letztlich Wahlkampf für mich, denn die Leute mögen so was nicht."
Sie vermutet, dass die Zettel "aus der Windkraft-Ecke" kamen - also von Gegnern des geplanten Windparks im Wald. Denn: Pinn hatte sich im Vorfeld als Verfechterin des Ausbaus regenerativer Energien, zu denen eben auch die Windkraft zählt, geoutet. Und dazu stehe sie.
Zudem wird vermutet, dass auch die CDU an der Kampagne beteiligt war. Schließlich ist Wiesbaum seit jeher christdemokratisch dominiert, stellt nun aber erstmals nicht mehr den Ortschef. Darauf angesprochen, sagte der langjährige Ortsbürgermeister und CDU-Grande Jakob Blum aber: "Nein, damit hatten wir nichts zu tun. Das haben wir auch nicht nötig." Jetzt gelte es, sich zusammenzuraufen und an die Arbeit zu machen, denn bis zur nächsten Wahl seien es ja nur noch zweieinhalb Jahre. "Dann sehen wir weiter", sagte Blum vielsagend.
Auch die designierte Ortsbürgermeisterin sieht den Ortsgemeinderat und sich unter einem gewissen Zeitdruck, "denn die Legislaturperiode ist nicht mehr lang, und in diesem Jahr ist wegen der Bürgermeisterfrage noch nicht viel passiert".
Auf die Frage, ob sie nun im Gemeinderat mit parteipolitischer Fundamentalopposition rechne, sagte Pinn: "Ganz klar: nein. Aber wenn ich so etwas spüre, werde ich das sofort thematisieren. Ich jedenfalls gehe in die Arbeit vorbehaltlos rein."
Extra: Schwerpunkte


Die Themen, die Karin Pinn schwerpunktmäßig anpacken will: Arbeitsatmosphäre: "Am wichtigsten ist es, jetzt erst einmal für eine gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen, um die vergangenen Wochen hinter uns lassen zu können. Das ist mein vordringlichstes Ziel", sagt Karin Pinn. Dorferneuerung: Dieses Thema, das jahrelang geruht hat, will die designierte Ortsbürgermeisterin aus dreierlei Gründen anpacken: Erstens möchte sie so die Dorfmitte neu gestalten und das Thema Altbausanierung/Leerstände anpacken, zweitens solle es dem Miteinander im Dorf und drittens der Integration der vielen Neubürger dienen. Sie sagt: "Ich glaube fest daran, dass es die Bereitschaft der Bürger gibt, ihr Dorf mitzugestalten. Und dabei kommt man sich einfach näher." Gewerbegebiet: Hier gelte es, die Kommunikation zwischen den Menschen im IGP und im Dorf zu verbessern. Denn viele IGPler kennen das Dorf gar nicht. "Zudem haben wir deswegen ja ein besonders großes Neubaugebiet ausgewiesen - damit die Leute eben nicht nur im IGP arbeiten, sondern sich auch hier ansiedeln." Erneuerbare Energien: Karin Pinn ist grundsätzlich für deren Ausbau. Auch ein Nahwärmenetz für das Dorf hält sie für eine interessante Idee, die es zu prüfen gelte. Gemeindewald: Wiesbaum verfügt über rund 500 Hektar Gemeindewald. Diese "stille Reserve soll künftig auch ab und zu mal in der Gemeindekasse klingeln", sagt Pinn. Sie spricht sich einerseits für eine nachhaltige Forstwirtschaft aus, andererseits sollte Holz auch verkauft werden, wenn die Preise gut seien. "Und derzeit sind sie es", so Pinn. mh

Extra: Wahl


Die neue Wiesbaumer Ortsbürgermeisterin Karin Pinn wird am 19. September ernannt, vereidigt und in ihr Amt eingeführt. Bei der Ortsbürgermeisterwahl, bei der sie als einzige Kandidatin angetreten war, stimmten 58 Prozent für sie: 193 Jastimmen standen 139 Neinstimmen gegenüber. Auffällig das Ergebnis aus dem deutlich kleineren Ortsteil Mirbach. Dort fiel Karin Pinn durch: 33 Wähler stimmten gegen und nur 24 Wähler für sie. Das hatte aber keine Auswirkungen wegen des deutlich besseren Ergebnisses im großen Ortsteil Wiesbaum: 169 Ja- standen 106 Neinstimmen gegenüber. Die Wahlbeteiligung lag bei 68 Prozent. mh

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