Windenergie statt Nürburgring

Müllenbach · Das Geschäft mit dem Nürburgring sichert der Gemeinde Müllenbach einen großen Teil ihrer Einahmen. Sollten diese wegbrechen, könnte die Windenergie eine Alternative sein, um die Kasse zu füllen.

Müllenbach. Es riecht nach Gummi in Müllenbach (Kreis Ahrweiler). Eine italienische Firma hat Reifen für Rennboliden zwischengelagert in der Halle von Giovanni Nestola. Bei Bedarf kann er den Zweckbau auch in eine Disco für Partys und Firmenfeiern verwandeln, komfortable Übernachtungsmöglichkeiten inklusive. Bürgermeister Udo Mergen schätzt, dass hier mehr Veranstaltungen stattfinden als in der Eventhalle am Nürburgring. Niemand findet die Entwicklung dort lustig. Auch Nestola nicht. Der Italiener hat wie viele andere auf eine Erfolgsgeschichte gesetzt und auf dieser Grundlage in Zimmer mit mediterranem Charme investiert. Er erwartet Rennpublikum und Firmengäste. Seine Existenz hängt von der Rennstrecke ab. Diese ist nicht nur in Form von Asphalt und Hinweisschildern sowie in den Resten der alten Südschleife allgegenwärtig in Müllenbach. "Wir sind von ihr abhängig", erklärt Mergen jedem, der es hören will. Seitdem der Ring in die Negativschlagzeilen geriet, ist er ein gefragter Interviewpartner. Der gebürtige Müllenbacher weiß, wie die Eifel tickt.
Die knapp 500 Einwohner zählende Gemeinde generiert einen Großteil ihrer Einnahmen aus dem Geschäft mit dem Nürburgring. Sie verpachtet Gelände. "Überall, wo jetzt Wiesen zu sehen sind, stand bei Rock am Ring ein Meer von Zelten", erklärt der Bürgermeister. Der Rahmenvertrag, der die Nutzungsgebühr für jedes Fahrzeug, jeden Campingwagen und jedes einzelne Zelt detailliert reglementiert, ist eine Wissenschaft für sich.
Größter Gewerbesteuerzahler



"Außerdem sind Flächen wie das Fahrsicherheitszentrum und diverse Parkplätze in Erbpacht vergeben. Die Nürburgring GmbH agiert nicht nur auf Eigengelände", so Mergen. Er ist froh darüber, dass er als Frührentner die Zeit hat, sich um alles zu kümmern. Denn die Messlatte liegt hoch. Werden die hohen Standards, zum Beispiel bei der generalstabsmäßigen Entsorgung gigantischer Müllmengen nach Veranstaltungen nicht erfüllt, wird die Pacht sofort gemindert.
Doch nicht nur die unmittelbaren Einnahmen zählen. Der große Campingplatz am Ring ist nicht nur der größte Gewerbesteuerzahler in Müllenbach, sondern auch der größte in der Verbandsgemeinde (VG) Adenau. Und auch einige Firmen, die sich im Gewerbegebiet angesiedelt haben, haben mit dem Ring einen Auftraggeber in der Nachbarschaft: sei es, dass sie Plakate und Gerüste für Werbebanner herstellen, oder als Tiefbauunternehmen profitieren. Als Arbeitgeber ist der Ring laut Ortsbürgermeister Mergen jedoch eher für geringfügig Beschäftigte eine Adresse, darunter viele Ferienjobber und Hinzuverdiener. Ansonsten gibt es hier wie in jeder anderen Eifelgemeinde viele Pendler in die Ballungsräume. Für das Leben im Dorf als Selbstständiger oder mit großer Distanz zum Arbeitgeber immer wichtiger: schnelles Internet. In Müllenbach soll Mitte Oktober mit dem Anbieter das Tempolimit auf der Datenautobahn fallen. "Die Zahl der Arbeitnehmer, die auch zu Hause online mit der Firma in Kontakt sein können, wird steigen", sagt Mergen.
Das Leben auf dem Land sieht er unter diesem Aspekt in einer positiven Entwicklung. Wer hierhin zieht, will in der Regel ein Haus bauen oder kaufen, das er sich anderswo nicht leisten kann. Deshalb bedauert er, dass es zwar mehr als 60 freie Bauplätze gibt, die aber als Besitz von vier Familiengruppen kaum zu erobern sind.
Udo Mergen weiß aber auch, dass es Hauptaufgabe der Zukunft sein wird, den Leerständen entgegenzuwirken. Es gibt sie bereits in Müllenbach. Die Bevölkerungsentwicklung ist rückläufig. "In fünf Jahren werden wir den demografischen Wandel massiv spüren", sagt er. Ein Glücksfall und einer der wichtigsten Einrichtungen für die Zukunft ist der Kindergarten im Ort, der in den ersten drei Ferienwochen auch eine Betreuung für Schulkinder anbietet. Unter der rührigen Leiterin Valerie Wirz wird hier ein Angebot vorgehalten, das auf die steigende Nachfrage nach Plätzen für unter Dreijährige und den frühen Wiedereinstieg von Eltern zurück in den Beruf ausgerichtet ist.
Metzger und Bäcker im Ort



Zur Infrastruktur in Müllenbach gehören noch ein Metzger und ein Bäcker, das Lebensmittellädchen wurde 2011 aus Altersgründen aufgegeben. Um das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs zu ergänzen, denkt die Gemeinde aktuell über ein Sammeltaxi nach.

Müllenbach hat derzeit noch die meisten Rücklagen innerhalb der Verbandsgemeinde, kann also freiwillige Ausgaben noch stemmen. Das Dorf am Ring kann sich noch einiges leisten. Dazu zählen der Schneeräumdienst, eine perfekt organisierte Altenfeier oder den Unterhalt mehrerer Liegenschaften. Sollten die Einnahmen vom Nürburgring wirklich einmal wegbrechen, liebäugelt Müllenbach stark mit der Windenergie als Alternative, um Geld zu verdienen.

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