"Wir haben noch viele offene Stellen"

Daun/Gerolstein/Densborn · Nach der Insolvenz der Brotfabrik in Daun zu Jahresbeginn folgte nun mit der Entlassungswelle bei CC Pharma in Densborn der zweite Schock für Arbeitnehmer in der Vulkaneifel. Dennoch sind laut Arbeitsagentur so viele Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Kreis wie lange nicht.

 Rund 160 Mitarbeiter werden in diesem Jahr bei der Firma CC Pharma in Densborn entlassen. tV-Fotos Mario Hübner (2)

Rund 160 Mitarbeiter werden in diesem Jahr bei der Firma CC Pharma in Densborn entlassen. tV-Fotos Mario Hübner (2)

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Daun/Gerolstein/Densborn. Das Jahr 2015 war für viele Arbeitnehmer in der Vulkaneifel ein schlechtes. Bei der Brotfabrik in Daun, die zu Jahresbeginn Insolvenz anmeldete, haben knapp 90 Menschen ihren Job verloren, bei CC Pharma werden es laut Ankündigung der neuen Geschäftsführung bis Oktober 160 Menschen sein.
Im TV-Interview mit Redakteur Mario Hübner geht Robert Gilles, Leiter der Geschäftsstellen Bitburg und Gerolstein der Agentur für Arbeit, auf die beiden Fälle sowie den gesamten Arbeitsmarkt in der Vulkaneifel ein. Und der ist laut Gilles stabiler, als es die aktuellen Meldungen vermuten lassen.

Herr Gilles, knapp 90 Entlassungen bei der Brotfabrik im Februar, 160 bei CC Pharma: Ist das Jahr 2015 für die Arbeitnehmer und den Arbeitsmarkt in der Vulkaneifel ein Katastrophenjahr?
Gilles: Grundsätzlich hat der Landkreis Vulkaneifel in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung hingelegt. Im Vergleich zum Juli 2014 ist der Kreis ganz weit vorne: mit 11,2 Prozent weniger Arbeitslosen. Im Landesdurchschnitt beträgt der Rückgang 3,1 Prozent. Im Grunde haben wir sehr stabile Arbeitsverhältnisse.
Wie passen die Massenentlassungen in dieses Bild?
Gilles: Neben den beiden Beispielen hatten wir ja Ende 2014 noch die Entlassungen bei Praktiker in Daun und Hillesheim. Diese Leute wurden in einer Transfergesellschaft aufgefangen und sind heute alle nahtlos in ein Beschäftigungsverhältnis eingemündet. Auch das zeigt, dass der Arbeitsmarkt in der Region sehr aufnahmefähig ist.

Mit 4,1 Prozent Arbeitslosenquote ist der Kreis Vulkaneifel dennoch das Schlusslicht in der Region Trier.
Gilles: Richtig. Der Eifelkreis hat eine Quote von 3,1 Prozent, aber im Vergleich zum Land mit 5,1 Prozent und zum Bund mit 6,3 Prozent steht er noch immer gut da. Und: Wir haben seit Jahren einen kräftigen Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Von Dezember 2013 bis Dezember 2014 ist die Zahl im Kreis um 523 auf 18 720 gestiegen. Seit Dezember 2010 sogar um mehr als 2000. Überdurchschnittliche Werte.
Also aus Ihrer Sicht alles gut trotz der Entlassungen?
Gilles: Es ist auf jeden Fall ein herber Schlag für die Menschen. Und gerade im Kylltal zwischen Gerolstein und Bitburg ist die Auswahl an Arbeitsplätzen nicht so groß. Aber alleine bei der Arbeitsagentur sind derzeit 900 offene Stellen in unseren beiden Landkreisen der Eifel registriert. Und es sind nicht alle Stellen bei uns gemeldet.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Entlassenen nochmals rasch in Lohn und Brot kommen?
Gilles: Von den 84 Entlassenen bei der Brotfabrik haben heute, nach fünf Monaten, gut 60 wieder einen Job, 20 sind noch arbeitslos. Von diesen 20 ist die Hälfte über 60 Jahre alt, sieben sind zwischen 50 und 60 Jahren.

Heißt das, dass Sie guter Dinge für die CC Pharma-Leute sind?
Gilles: Bei CC Pharma hat der weit überwiegende Teil der derzeit 90 Entlassenen eine abgeschlossene Berufsausbildung - wenngleich sie zuletzt nicht mehr in ihrem Ursprungsjob tätig waren. Dennoch ist das zunächst einmal positiv. Das große Problem hier ist, dass etwa 40 Prozent in Teilzeit beschäftigt waren und genau so einen Job wieder suchen.

Und die sind rar gesät.
Gilles: Man muss auf jeden Fall weiter fahren. Und dann stellt sich die Frage, ob sich das für den Einzelnen noch lohnt. Viele der Beschäftigten kamen ja aus den umliegenden Orten. So schnell und so einfach gibt es da keine Alternativen.

Der andere besondere Aspekt ist, dass rund 70 Prozent der Beschäftigten bei CC Pharma Frauen sind und demnach auch überproportional von Entlassung betroffen sind. Wie gehen Sie damit um?
Gilles: Nicht das Geschlecht ist die Herausforderung, sondern der Umstand, dass viele Frauen teilzeitbeschäftigt waren und zu ganz speziellen Zeiten eine Arbeit suchen. Klassisch ist die Zeit von 8 bis 12 Uhr. Es war ein Markenzeichen von CC Pharma, dass ganz besondere Arbeitszeiten angeboten wurden - zum Beispiel von 18 bis 22 Uhr oder samstagvormittags. In dieser Form ist das in der Eifel alternativlos. Hinzu kommt, dass man viele Tätigkeiten dort nach kurzer Anlernphase machen konnte.

Wie können Sie helfen, was haben Sie bereits getan?
Gilles: Bei CC Pharma haben wir selbst Personal zusammengezogen und sind in die Firma gefahren, haben mit den Menschen gesprochen und die Arbeitslos- und Arbeitssuchend-Meldungen vor Ort entgegengenommen. Wir waren einmal mit sieben und am zweiten Tag mit zwei Kollegen vor Ort. Ich selbst war auch dabei.
Wie war die Stimmung?
Gilles: Viele waren enttäuscht und auch sehr ungehalten über die Entlassung.

Wie kam Ihr Besuch an?
Gilles: Ich habe die Rückmeldung bekommen, dass es als angenehm empfunden wurde und die Atmosphäre etwas aufgelockert hat. Die Größenordnung gebietet es einfach, dass wir diesen Service anbieten, auf die Leute zugehen und zeigen, dass wir sie unterstützen.

Was haben Sie konkret unternommen?
Gilles: Wir haben zunächst die Daten aufgenommen und abgefragt, welche Unterstützung der Einzelne sofort benötigt. Wir haben die ersten Termine für persönliche Gespräche vereinbart. Sie haben diese Woche bereits begonnen. Und wir haben darüber informiert, was auf die Menschen jetzt zukommt und wie der finanzielle Rahmen aussieht. Denn es ist uns wichtig, dass die Menschen nahtlos ihre Leistung zum Lebensunterhalt erhalten und auch nicht ohne Krankenversicherung dastehen. Zum 31. August sollen alle ihr Arbeitslosengeld auf dem Konto haben. Deswegen wurde vereinbart, dass die Mitarbeiter ihre Anträge im Betrieb abgeben können. So muss nicht jeder deswegen zu uns kommen.
Letztlich muss aber jeder für sich neu überlegen: Was kann ich, was will ich? Und kann ich gegebenenfalls mein erlerntes Arbeitswissen nochmals für den Arbeitsmarkt reaktivieren? mh
Informationen zum Arbeitsmarkt im Kreis Trier-Saarburg gibt es auf Seite 14.
Extra

"Wir haben noch viele offene Stellen"
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Robert Gilles, 62, ist Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in Bitburg und Gerolstein. Er lebt in Gerolstein, ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. mh

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