"Wo früher ward gesessen, kann man nun gut essen"

Wo einst Gefangene Ausgang hatten, gibt es heute für die Gäste einen Grillplatz. Die ersten fünfzehn Sträflingskostüme sind bald verschlissen, und in den Zellen ist stets Frohsinn angesagt, erzählen die Betreiber von heute.

Daun. Für den Amtsgerichtsrat Josef Draf (1861-1931) wäre das undenkbar gewesen. Er galt bereits zu Lebzeiten als Original. Josef Meier (93) weiß aus seiner Jugendzeit, dass ein Bauer während der streng eingehaltenen Mittagspause zum Amtsgericht kam und den Justizrat Draf nicht vorfand. So lief er in die Walsdorfer Straße, heute Koblenzer Straße, klingelte an der Tür seines Hauses und erkundigte sich nach Herrn Draf. Zur Antwort bekam er, den gibt es hier nicht, nur den Geheimen Amtsgerichtsrat Draf, "und der bin ich". Andreas und Renate Schmitz machten aus dem einstigen Amtsgericht mit Verhandlungen von Rechtsstreitigkeiten, Raub, Brandstiftung, Betrug, Körperverletzung ein Hotel der individuellen Art. "Unsere Gäste schlafen im Gefängnistrakt hinter stabilen, hölzernen Zellentüren mit Schloss und Riegel und fühlen sich sehr wohl dabei", erzählt Andreas Schmitz, der eine Robe besitzt. Mitunter schlüpft er auch in eine Polizeiuniform, wenn er mit Sträflingen an der Kette bei "genehmigtem Freigang" durch die Beispielstadt marschiert. "Ich finde es immer recht lustig, wenn die Autos hupen, anhalten und unsere Gäste in den gestreiften Anzügen über die Straße lassen", schmunzelt Rainer Schmitz. Was einst ein paar Meter weiter im dunklen Verlies mit drei schmalen Pritschen für bis zu 15 Insassen und mehr Wirklichkeit war, ist heute für 24 Gäste in 24 Betten nostalgischer Luxus im vormaligen Kantons- und Friedensgericht. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte im primitiv umgebauten Backhaus zum Gefängnis extreme Raumnot. Im März 1857 beklagte der Dauner Landrat die kerkerartigen Zustände am 200 Jahre alten Anbau des ehemaligen kurfürstlichen Kellnereigebäudes. Der Kaufmann und Besitzer Carl Peter Fasen bot den gesamten Komplex an, um dort neben dem Gefängnis das Friedensgericht unterzubringen. Doch seine Preisvorstellungen waren zu hoch. Als Ersatz erwarb die Gemeinde für 200 Taler Parzellen von den Familien Husingen, Zilligen, Storck, Ackermann und Meyer. Die Baukosten wurden zu zwei Drittel von der Justizverwaltung und zu einem Drittel von der Gemeinde bestritten. Die Fertigstellung des Friedensgerichtes, dem heutigen Hotel "Zum Amtsrichter", soll 1865 erfolgt sein. Das modrige Gefängnis blieb weiterhin dort, wo es schon immer war, ohne Ofen und mit zugemauerten Fenstern im "Ahlen Backhaus". Kreisbaumeister Müller und Bürgermeister Krämer veranlassten, dass die an der Gefängniswand meterhohen unangenehm riechenden Abfälle des Gerbers Carl Schmitz entfernt wurden. Da man den Einsturz des feuchten Gebäudes befürchtete, erging an den Beauftragten der Rheinprovinz des Kantons gefängniswesens ein Änderungsantrag. Um die Insassen weiterhin unterbringen zu können, gab es Anweisungen, sie in Daun ihre Strafe absitzen zu lassen. 1892 kam ein Anbau aus Ziegelsteinen mit vergitterten Fenstern an das Gerichtsgebäude. Das neue Gefängnis soll sehr viele Inhaftierte beherbergt haben. Ab 1951 blieben die Zellen leer, denn aus Rationalisierungsgründen hob man bis auf Ausnahmen das Gefängnis auf.Alle Welt interessierte sich für den "Amtsrichter"

Am 1. April 1968 musste das Gericht in die Kreisstadt Daun übersiedeln und wurde geschlossen. Nun stand das mit Eifeler Sandsteinen verklinkerte große Gebäude leer. Das Grundbuchamt zog nun auch um, und die damals ansässige Anwaltskanzlei Nack verlegte ihren Sitz ebenfalls in die Kreisstadt. Am 9. Oktober 1968 erwarb der Metzgermeister Peter Schmitz das Anwesen und nannte es "Zum Amtsrichter", was weltweit in 1500 Zeitungen Beachtung fand. Die Familie Schmitz betrieb eine effiziente Geschäftspolitik. 1984 trat Sohn Andreas in den Betrieb mit kreativen Ideen ein. Ein Gewölbekeller mit zellenähnlichen Fenstern hieß nun "Zur letzten Instanz" und lockte Jugendliche sowie Junggebliebene in Scharen zur Musikbox und an den Flipperkasten. Einmal, erzählt Andreas, habe er den Laden mitten in der Nacht geschlossen und sei zu Bett gegangen. "Doch am nächsten Morgen beim Aufräumen trat aus der Toilettentüre ein Gast, den hatte ich um Mitternacht glatt übersehen", sagt er noch immer recht zerknirscht. Es waren Geologiestudenten, die tagsüber im Gelände Messungen vornahmen und abends im "Amtsrichter" den Bürgermeistern Martin Hank und Alfred Pitzen vorschlugen, einen gekennzeichneten Weg durch die VG anzulegen. Der geologische Lehr- und Wanderpfad, der Geo-Pfad, nahm da seinen geistigen Anfang. Und im Volksmund klebt dem Restaurant seit Jahrzehnten ein Spruch an: "Wo früher ward gesessen, kann man nun gut essen."

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