Zur Einweihung kam sogar der Kaiser

Gerolstein · Für die Gemeindemitglieder der Erlöserkirche ist heute ein besonderer Tag, denn vor 100 Jahren wurde der erste Grundstein für das außergewöhnliche Bauwerk gelegt. Mehr als 50 Jahre hat Renate Tücks dort Gottesdienste gefeiert und eine besondere Beziehung zur Erlöserkirche entwickelt.

Den Moment, als Renate Tücks zum ersten Mal die Erlöserkirche in Gerolstein betrat, wird sie nie vergessen. "Ich war wie erschossen. Wenn man die Kirche von außen sieht, vermutet man so eine Pracht gar nicht", erklärt sie. Der 13-jährigen Kölnerin stand der Mund vor Staunen offen.

Ein Gotteshaus mit goldenen Mosaiksteinchen

Ein Gotteshaus, dessen Decke komplett mit goldenen Mosaiksteinchen überzogen war, hatte sie noch nie gesehen. So viel Prunk! Und überhaupt: eine evangelische Kirche in der katholischen Eifel.
53 Jahre später kennt Renate Tücks die Geschichte der Erlöserkirche, denn sie ist ihre Heimatkirche geworden. Sie weiß, dass heute vor 100 Jahren der Grundstein für die Kirche gelegt wurde, die keine gewöhnliche werden sollte.

Es war das letzte Projekt des evangelischen Kirchenbauvereins Berlin. Dass ausgerechnet Berliner eine Kirche in Gerolstein finanzierten, ist kein Zufall, erklärt der Pfarrer der Erlöserkirche Roman Hartmann: "Freiherr von Mirbach hat sich dafür starkgemacht." Schon das Grundstück hatte Seltenheitswert.

Reste einer römischen Villa

Es wurden Reste der römischen Villa Sarabodis dort gefunden, und Mirbach behauptete, das Gebiet sei Krongut. "Krongut bedeutet, dass das Grundstück früher Pippin dem Kurzen und Karl dem Großen gehört haben soll", erklärt Eckhard Sander, der 34 Jahre lang Küster der Erlöserkirche war.

Zudem war Mirbach auch erster Vorsitzender des Berliner Kirchenbauvereins und konnte dem Kaiser so den Standort in Gerolstein schmackhaft machen.
Kaiser Wilhelm II reiste sogar zur Kircheneinweihung nach Gerolstein. "Das muss damals eine Sensation gewesen sein", meint Tücks. Die Baukosten waren mit 1,1 Millionen Mark enorm hoch. Etwa 300 Gläubige besuchten den Gottesdienst. Inzwischen zählen 3800 Menschen aus 76 Orten zur Gemeinde.

Vom Kaiser ans Land

Das Gotteshaus hat vom Besitz Kaiser Wilhelms zum Land Rheinland-Pfalz gewechselt.
Im Zweiten Weltkrieg traf eine Luftmine das Schiff auf der Ostseite der Erlöserkirche und zerstörte es. Auch die Fenster gingen zu Bruch. Trotzdem war es Glück, denn "um die Kirche herum war beinahe jedes Haus komplett kaputt", berichtet Sander.
Vieles hat sich in den vergangenen 50 Jahren geändert im Kirchengebäude und in Renate Tücks Leben. Trotzdem erinnert sie sich noch genau an ihr erstes großes Kirchenfest.

An Palmsonntag 1959 wackelte eine 14-Jährige im schwarzen Kleid auf ihren ersten Stöckelschuhen in die Erlöserkirche. "Die Schuhe waren der Renner", sagt Tücks und lacht. "Außerdem war ich so aufgeregt. Später, als der Pfarrer meinen Konfirmationsspruch vorlas, sind mir die Tränen gekommen", erzählt die 66-Jährige.
Von 1985 bis 1987 musste sie auf ihren Stammplatz in der Kirche verzichten.

Wände wurden gereinigt

Während dieser Zeit wurde das Dach neu eingedeckt, die Wände gereinigt und lose Mosaiksteinchen wieder befestigt. Deswegen beteten die Gläubigen sonntags im Gemeindehaus. Tücks vermisste ihren Platz. Schlimmer aber war für sie, dass sie ihre Hochzeit nicht in der Heimatkirche feiern konnte, denn ihr Mann war Katholik. Vor allem ihren Vater habe das geschmerzt, er war eine Zeit lang als Laienprediger in der Erlöserkirche tätig.

Umso mehr freut sie sich, wieder unter der Christusfigur in der Erlöserkirche zu beten. "Die Christusfigur schaut einen immer an, egal wo man sitzt", sagt sie. Vor zwei Jahren hat sie dort auch ihre goldene Konfirmation gefeiert. Renate Tücks sitzt wieder am gleichen Platz. "Hinten rechts habe ich auch schon mit meinen Eltern gesessen."
Extra

Die Erlöserkirche steht unter Denkmalschutz, daher ist die Renovierung teuer. Dieses Jahr ist die Lichtanlage für 10 000 Euro erneuert worden. Als Besitzer bezahlt die evangelische Landeskirche Rheinland-Pfalz die Ausgaben. Die Heizung soll noch vor dem Winter saniert werden. Die Temperatur darf auch in den kalten Monaten nicht zu stark fallen. Aufgrund der Mosaike sollte im Gebäude mindestens eine Temperatur von 18 Grad herrschen. jur

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