Energie Wann in Cattenom Schluss ist, kann keiner sagen

Cattenom · Während das Kernkraftwerk Fessenheim bis 2022 vom Netz gehen soll, besteht für die Anlage in Lothringen derzeit keine Abschaltperspektive.

 Das Kernkraftwerk Fessenheim soll bis 2022 vom Netz gehen.

Das Kernkraftwerk Fessenheim soll bis 2022 vom Netz gehen.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Bis 2022 dauert die Amtszeit von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. In dieser Zeit soll das älteste Kernkraftwerk im Nachbarland, das im elsässischen Fessenheim, abgeschaltet werden. Das hat der französische Umweltminister Francois de Rugy angekündigt. Das Atomkraftwerk an der deutschen Grenze werde während der laufenden Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron seinen Betrieb einstellen, sagte der Minister ohne aber einen genauen Termin zu nennen. Das liege an den Verzögerungen beim Bau des Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) in Flamanville am Ärmelkanal. Fessenheim soll eigentlich erst abgeschaltet werden, wenn der neue Reaktor ans Netz geht. Laut de Rugy wird nun aber erwogen, beide Ereignisse zu entkoppeln. Denn weder der Kraftwerksbetreiber, der französische Energiekonzern EDF noch die staatliche Atomaufsicht könnten ein Datum für die Inbetriebnahme des EPR nennen. Das AKW Fessenheim ist das älteste aktive in Frankreich und gilt Kritikern seit Jahrzehnten als Sicherheitsrisiko. Es ist seit 1977 am Netz.

Eine ähnliche Abschaltperspektive für das über 30 Jahre alte Kernkraftwerk Cattenom an der französischen Mosel gibt es allerdings nicht. Im Gegenteil. Der Betreiber, EDF, bereiten derzeit eine Verlängerung der Laufzeit vor. Noch weitere 30 Jahre soll Cattenom Atomstrom produzieren (der TV berichtete). Und dass, obwohl es immer wieder zu Pannen in der grenznahen Anlage kommt. Erst vergangene Woche wurde ein erneuter Zwischenfall bekannt, dass im September bei Wartungsarbeiten ein Fehler an einer Brandmeldeanlage im zweiten von insgesamt vier Blöcken entdeckt worden war. Die EDF stufte das als „bedeutendes Ereignis“ ein.

Cattenom sei eine sichere Anlage und Atomstrom eine saubere Energie, sagte der Direktor der Anlage, Thierry Rosso, im März. Immerhin werde fast 97 Prozent des französischen Stroms ohne umweltgefährdendes CO2 produziert, anders als die Kohlekraftwerke in Deutschland. Außerdem sei Atomstrom billig für die Verbraucher.

Rosso kann die Bedenken gegen Cattenom, die vor allem außerhalb Frankreichs etwa in Rheinland-Pfalz und in Luxemburg bestehen, nicht nachvollziehen. Er ist überzeugt: Es gibt keine Sicherheitsmängel. Auch vor Terroranschlägen sei das Kraftwerk sicher. Die Tatsache, dass im Oktober vergangenen Jahres Atomgegner der Umweltschutzorganisation Greenpeace auf das Gelände der Anlage gelangt sind und dort ein Feuerwerk entzündet haben, ist für ihn kein Beleg für fehlende Sicherheit. Ein Ende für Cattenom sieht der Direktor nicht. Solange die Atomaufsicht bei der alle zehn Jahre stattfindenden Überprüfung einer der vier Blöcke die Unbedenklichkeit bescheinige, könnte die Anlage weiterlaufen, sagte er. Auf jeden Fall mehr als die von EDF für Cattenom gvorgesehenen 40 Jahre.

Im Moment könne niemand wirklich voraussehen, wie lange die vier Reaktoren von Cattenom noch am Netz bleiben werden, sagt der deutsch-französische Atomexperte Mycle Schneider. „Eine Begrenzung der Laufzeit hängt nicht nur von der sicherheitstechnischen Überprüfung ab, sondern auch von der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch spiele die Rangfolge der Abschaltungen der franzöischen Atomkraftwerke eine Rolle. Frankreich will den Atomanteil am Strommix verringern.

Doch das bedeute kein generelles Umdenken in der französischen Energiepolitik, sagt Schneider. „Die französische Bevölkerung ist schon seit vielen Jahren gespalten, wenn es ums Atom geht.“ Doch alle Regierungen Frankreichs in den vergangenen vier Jahrzehnten hätten „eine geradezu wunderbar kontinuierliche Atompolitik betrieben – konzipiert, implementiert, kontrolliert von einer ungewählten Technokratenelite“. Allerdings stehe EDF derzeit wirtschaftlich nicht unter Druck. Aufgrund zunehmenden Konkurrenz verliere der Konzern rund 100 000 Kunden pro Monat.

Auch das kann sich möglicherweise auf den Weiterbetrieb altersschwacher Anlagen auswirken. Sollten sich diese wirtschaftlich nicht mehr rentieren, könnte es zu einem früheren Aus kommen.

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