Gesellschaft Der Terror der Tugend

Musste der Trierer Dezernent Thomas Schmitt zurücktreten, weil er sonst am virtuellen sozialen Pranger gelandet wäre? Warum unser Autor den Dezernenten für das Opfer hält und Trier einen fähigen Politiker verloren hat, erklärt er hier:

 Während Willy Brandt 1972 mit dem Zug durch die Bundesrepublik rollt, um Wahlkampf für sich zu machen, soll er öfter auch Frauen im Salonwagen getroffen haben. Doch dazu schwieg die Presse. Etwas, was man sich in Zeiten des Internetprangers nicht mehr vorstellen kann.

Während Willy Brandt 1972 mit dem Zug durch die Bundesrepublik rollt, um Wahlkampf für sich zu machen, soll er öfter auch Frauen im Salonwagen getroffen haben. Doch dazu schwieg die Presse. Etwas, was man sich in Zeiten des Internetprangers nicht mehr vorstellen kann.

Foto: picture alliance / dpa/Lothar Heidtman

Als Willy Brandt im Wahlkampf 1972 mit der Bundesbahn das Land bereiste, kamen auch Frauen zum Zug. Der Kanzler nutzte seinen Salonwagen für Aktivitäten, die über „gute Gespräche führen und sich auch mal die Beine vertreten“ (Brandt) hinausgingen. In Zeitungen bekam man davon nichts zu lesen. Denn auch Journalisten unterschieden zwischen Moral und „Moral“. Viele von ihnen führten gleichfalls ein Doppelleben und waren sich daher bewusst, welche Konsequenzen ein öffentlich gemachter Ehebruch hatte. Nicht nur für den Ruf, auch für den Geldbeutel. Bei der Scheidung galt bis 1977 das Schuldprinzip. Wer sich als Fremdgänger outete, hatte finanziell das Nachsehen. Ehrlichkeit wurde bestraft.