Wenn Antibiotika nicht mehr wirken Experten warnen vor zu hohem und unnötigem Einsatz von Antibiotika

Trier · Wenn Antibiotika nicht mehr wirken. Experten warnen vor zu hohem und vor allem unnötigen Einsatz des Arzneimittels.

  Krankenschwestern müssen sich ständig die Hände desinfizieren, wollen sie Keimübertragung verhindern.

Krankenschwestern müssen sich ständig die Hände desinfizieren, wollen sie Keimübertragung verhindern.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Mehr als jeder vierte Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz bekommt, wenn er wegen einer Erkältung krankgeschrieben wird, ein Antibiotikum verschrieben. Davor warnt die Techniker Krankenkasse (TK). Was zunächst wie eine harmlose Feststellung klingt, hat aber fatale Folgen. Nicht nur, dass Antibiotika bei Husten, Schnupfen und Heiserkeit gar nicht wirken, weil Erkältungen in der Regel durch Viren verursacht werden. Antibiotika wirken gegen Keime. Sie verhindern, dass diese sich vermehren oder sie machen ihnen sogar komplett den Garaus.

Werden die Medikamente aber unnötig verordnet, könnten sie sogar eher schaden, sagt TK-Landeschef Jörn Simon. Der zu hohe Antibiotikaeinsatz führe zu Resistenzen der Bakterien. Im schlimmsten Fall werden sie so resistent, dass kein vorhandenes Antibiotikum mehr gegen sie wirken kann. Denn laut dem Landesuntersuchungsamt (LUA) beherrschen sie einen fatalen Trick: „Durch Weitergabe eines kleinen Stücks an Erbinformation können sie ihre Resistenz an andere Bakterien weitergeben.“ Dadurch würden lebensrettende Medikamente unwirksam.

Zwar ist nach Angaben der TK die Zahl der Antibiotika-Verordnungen in Rheinland-Pfalz seit 2017 um elf Prozent zurückgegangen. Trotzdem sei im vergangenen Jahr im bundesweiten Vergleich in Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich viel Antibiotika verordnet worden. Simon fordert eine bessere Aufklärung durch die Ärzte: „Wenn Patienten wissen, dass sie durch eine Erkältung einfach durchmüssen und auch Antibiotika die Heilung nicht beschleunigen, können sie eher damit umgehen, dass sie vom Hausarzt statt Medikamente den guten Rat erhalten, sich ins Bett zu legen.“ Daher müssten Ärzte wieder mehr Zeit haben, mit den Patienten zu sprechen.

Allein mit Appellen sei es jedoch nicht getan, sagt der TK-Landeschef. Es müssten mehr Anstrengungen unternommen werden, den Antibiotikaverbrauch zu senken und damit Resistenzen zu senken. Simon schlägt daher vor, dass Kliniken ihren Antibiotikaeinsatz dokumentieren, alle Patienten bereits bei der Aufnahme auf mögliche resistente Keime getestet werden und die Krankenhausapotheke beim Einsatz von sogenannten Reserve-Antibiotika zurate gezogen werden sollen.

Im Trierer Mutterhaus wird das so praktiziert. „Jede Antibiotika-Bestellung wird auf Plausibilität von einer Apothekerin überprüft“, sagt Sabine Steinbach. Sie leitet die Krankenhausapotheke im Mutterhaus. Auch werde der Antibiotika-Einsatz auf den Stationen regelmäßig überprüft und hinterfragt. Außerdem gebe es Leitfäden mit Antibiotika-Empfehlungen für bestimmte Erkrankungen. Alle Pflegekräfte und Ärzte im Mutterhaus würden für einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit und einen gezielten Einsatz von Antibiotika sensibilisiert, sagt Kliniksprecherin Kristina Kattler. Außerdem würden Risikopatienten bei der Aufnahme auf resistente Keime untersucht. „Befallene Patienten werden umgehend isoliert“, sagt Kattler. Zudem würden die Mitarbeiter regelmäßig in Hygienemaßnahmen geschult.

„Neun von zehn Keimen werden über die Hände übertragen“, sagt TK-Chef Simon. „Daher sollten nicht nur das medizinische Personal, sondern auch Patienten und deren Besucher in Krankenhäusern darauf achten, sich regelmäßig und gründlich die Hände zu waschen. Immer wieder kommt es in Kliniken zu Infektionen mit Keimen. Multiresistente Keime, also Bakterien, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind, würden auch in Zukunft eine Herausforderung sein, sagt Mutterhaus-Sprecherin Kattler. Einer dieser multiresistenten Keime ist der sogenannte MRSA. Er wird überwiegend über Haut, Hände und Oberflächenkontakt übetragen. Laut LUA geht die Zahl der meldepflichtigen Infektionen durch diese gefährlichen Bakterien seit Jahren zurück. Im vergangenen Jahr wurden 72 Fälle gemeldet, 2017 waren es noch 90. Seit 2010, als die Meldepflicht für MRSA-Infektionen eingeführt worden war, habe sich die Zahl nahezu halbiert, so das LUA. Statistisch gesehen erkrankten jährlich 1,77 von 100 000 Rheinland-Pfälzern an einer MRSA-Infektion. 2010 seien es noch 3,95 gewesen. Als Grund dafür nennt das Landesuntersuchungsamt verschärfte Hygienevorschriften in medizinischen Einrichtungen. Konkrete Maßnahmen seien unter anderem die Schulungen des medizinischen Personals in konsequenter Händedesinfektion und die Optimierung der Sterilisation von Instrumenten. Außerdem sollten Antibiotika nur dann verschrieben werden, wenn es wirklich notwendig ist. „Das Ziel aller Bemühungen ist es“, heißt es in einer Mitteilung des LUA, „neue Krankenhausinfektionen zu verhindern und gleichzeitig die Entstehung und Weiterverbreitung resistenter Bakterien einzudämmen.“

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