Sucht Wenn es nicht bei vier Gläsern Wein bleibt

Trier/Berlin · Noch immer trinken die Deutschen zu viel Alkohol. Doch ab wann wird Genuss zur Sucht?

  Eine junge Frau sitzt mit einem Mixgetränk an einem Fluss: Vor allem Jugendliche unterschätzen oft den Einfluss von Alkohol auf ihre Gesundheit.

Eine junge Frau sitzt mit einem Mixgetränk an einem Fluss: Vor allem Jugendliche unterschätzen oft den Einfluss von Alkohol auf ihre Gesundheit.

Foto: dpa/Florian Gaertner

Die Deutschen trinken immer noch viel zu viel Alkohol. Nach einer Analyse des neuen Jahrbuchs Sucht konsumiert jeder Bundesbürger über 15 Jahren im Schnitt 10,7 Liter reinen Alkohol im Jahr. Das entspricht einem gefüllten Eimer. Die Zahlen beziehen sich auf neue Berechnungen für das Jahr 2015. „Alkohol ist mit Abstand das massivste Problem“, sagte Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

Alkoholmissbrauch sei eine der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft, sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler,. „Knapp acht Millionen Menschen trinken so viel, dass sie damit ihre Gesundheit gefährden“, sagte sie bei der Vorstellung des Jahrbuchs vergangene Woche. Pro Kopf tranken Erwachsene in Deutschland demnach 2016 im Schnitt rund 134 Liter Alkoholika – von der Menge her eine gut gefüllte Badewanne. Damit ist der Konsum im Vergleich zum Vorjahr nur minimal gesunken – um 1,25 Prozent.

Doch wie gehen Winzer und Brauereien mit dem Problem um? Sowohl Bitburger Brauerei als auch der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau verweisen auf Aufklärungskampagnen gegen den missbräuchlichen Konsum von Wein und Bier. Gerd Knebel, beim Bauern- und Winzerverband für den Weinbau zuständig, verweist auf die europaweite Kampagne Wine in moderation (www.wineinmoderation.eu), die für den moderaten Weingenuss wirbt. Klickt man sich durch die mit Grafiken und an Weinwerbung erinnernden Texte überfrachtete Internetseite, kommt man irgendwann auf den Hinweis, was moderater Weingenuss ist: „Nie mehr als vier Getränkeeinheiten auf einmal.“ Wobei Getränkeeinheiten für Gläser steht. Und weiter findet sich der Hinweis: „Regelmäßiger maßvoller Weinkonsum wirkt sich gleich mehrfach positiv auf die Gesundheit aus. Allerdings steigt die Gesundheitsgefährdung mit jedem Glas, das über den maßvollen Konsum hinausgeht. Weinkonsum über die empfohlenen Mengen hinaus bringt keine zusätzliche gesundheitsfördernde Wirkung, sondern ist vielmehr gesundheitsschädlich.“ Laut Deutschem Weininstitut ist der Weinkonsum in Deutschland seit Jahren gleich. Demnach wurden 2016 pro Kopf 20,6 Liter Wein und 3,7 Liter Sekt getrunken. Deutlich weniger als Bier. Davon trank jeder Deutsche durchschnittlich 104 Liter.

„Die Dosis macht das Gift“, sagt Ulrich John, Leiter des Instituts für Sozialmedizin an der Universität Greifswald. Bei Frauen gelte zum Beispiel ein achtel Liter Wein pro Tag als Grenze, bei Männern ein halber Liter Bier. „Egal wie viel Sie trinken, reduzieren Sie Ihren Konsum“, rät der Experte. Denn laut Jahrbuch werden rund 200 Krankheiten durch Alkoholkonsum mitverursacht. Für 30 Krankheiten, zum Beispiel Leberleiden, gilt er als Hauptgrund.

Suchtexperte Gaßmann forderte angesichts all dieser Fakten ein Werbeverbot für Alkohol und Zigaretten sowie eine vereinheitlichte höhere Steuer auf alle Alkoholika, bemessen nach Volumen Alkohol. Darüber hinaus verlangte er, dass alle Alkoholika nur an Erwachsene über 18 Jahren verkauft werden. Dass Jugendliche in Deutschland ab 16 Jahren Wein und Bier kaufen dürften, sei „absurd“. Testkäufe hätten bewiesen, dass der Jugendschutz beim Alkoholverkauf bei rund einem Drittel der Fälle (30 Prozent) bereits heute nicht eingehalten werde.

Bei der Bitburger Brauerei hält man die bestehenden Gesetze für ausreichend: „Wichtig ist aber, dass die bestehenden Gesetze zum Schutz von Jugendlichen konsequent umgesetzt und entsprechend kontrolliert werden“, sagt Unternehmenssprecherin Angelika Thielen. Insgesamt sehe man eine gute Entwicklung: „Immer mehr Jugendliche in Deutschland – das belegen offizielle Zahlen und Statistiken – gehen sehr verantwortungsbewusst mit Alkohol um.“ Ein Indiz dafür scheint sich auch dieses Jahr an Karneval gezeigt zu haben. Nach einer Antwort des rheinland-pfälzischen Innenministeriums auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion ist landesweit die Zahl der bei den Fastnachtsumzügen festgestellten alkoholisierten Jugendlichen zurückgegangen. Insgesamt seien in diesem Jahr 691 betrunkene Minderjährige festgestellt worden, 23 weniger als im Jahr zuvor. Gleichzeitig warnt die Krankenkasse DAK vor einer Zunahme von sogenannten jugendlichen Komasäufern, also Kindern und Jugendlichen, die sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken. Deren Zahl sei 2016 wieder um vier Prozent gestiegen – auf 1425. „Häufig überschätzen sich Jugendliche, wenn sie glauben, dass Alkohol zum Feiern und Spaßhaben dazugehört“, sagt Michael Hübner, Leiter der DAK in Rheinland-Pfalz.

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