Umwelt „Wie erklären wir das den Bürgern?“

Trier · Warum das Land eine Klage gegen Cattenom trotz nachgewiesener Sicherheitsmängel für aussichtslos hält.

 Eine baldige Abschaltung des umstrittenen Atomkraftwerks Cattenom ist auch nach der Veröffentlichung eines neuen Gutachtens nicht zu erwarten.

Eine baldige Abschaltung des umstrittenen Atomkraftwerks Cattenom ist auch nach der Veröffentlichung eines neuen Gutachtens nicht zu erwarten.

Foto: vetter friedemann

„Ich bin sehr enttäuscht von dem Ergebnis“, sagt Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe. Seit längerem werde eine mögliche Klage gegen das Kernkraftwerk Cattenom geprüft, nun zeige ein Gutachten des Ökoinstituts, welche gravierenden Sicherheitsmängel es in der Anlage gebe. Aber das reiche nicht aus, um vor Gericht zu ziehen. „Wie erklären wir das den Bürgern?“ wendet sich Leibe direkt an die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne). Die hat aber auch keine schlüssige Antwort darauf. Man werde das Gutachten dafür verwenden, „um auf allen Ebenen“ mit Frankreich zu reden, um die Nachbarn davon zu überzeugen, dass ein Weiterbetrieb des Kraftwerks zu gefährlich sei.

Doch wie man den Bürgern erklärt, dass Cattenom einerseits ein „hohes Risiko für die gesamte Region“ darstellt, aber Rheinland-Pfalz und das Saarland trotzdem keine Handhabe sehen, dagegen zu klagen, die Antwort darauf bleibt die Grünen-Politikerin an diesem Morgen bei der Pressekonferenz in der Trierer Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) schuldig. 80 Millionen Euro kostet ihren Angaben zufolge die Beweisführung, dass die in dem Sicherheitsgutachten des Darmstädter Ökoinstituts aufgeführten Mängel auch tatsächlich ein schwerwiegendes Risiko für Mensch und Umwelt darstellten. Dafür müsse nachgewiesen werden, so Höfken, dass es einen Zusammenhang gebe zwischen einem „auslösenden Ereignis wie beispielsweise einem Flugzeugabsturz und dem daraus folgenden Schaden für Mensch und Umwelt“. Außerdem müsse nicht nur nachgewiesen werden, was passieren könnte, sondern auch „mit welcher Wahrscheinlichkeit dies geschehen könnte“, sagt Höfken. Ein solcher Nachweis könne Jahre dauern. Höfken: „Wir haben uns entschlossen, keine Klage gegen das Atomkraftwerk Cattenom zu erheben.“

Einfacher scheint hingegen der Nachweis im Fall des ebenfalls als Sicherheitsrisiko eingestuften belgischen Kernkraftwerks Tihange zu sein. Die rheinland-pfälzische Landesregierung werde heute beschließen, sich einer Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen den Weiterbetrieb der Anlage unweit der belgisch-deutschen Grenze anzuschließen, sagt die Umweltministerin.

Der saarländische Umweltstaatssekretär Roland Krämer bringt das Dilemma, in dem sich Rheinland-Pfalz und das Saarland befinden, auf den Punkt. Man dürfe nicht vergessen, dass Cattenom nach französischem Recht genehmigt worden sei. Und bei den Nachbarn sieht man die von den beiden Ländern angeführten Risiken offensichtlich als nicht so gravierend oder als gar nicht vorhanden an. Das war auch kürzlich bei der Bilanzpressekonferenz des Kraftwerks in Cattenom deutlich geworden. Cattenom-Direktor Thierry Rosso zählte dort insgesamt 59 sicherheitsrelevante Vorfälle auf – ein Risiko für den Weiterbetrieb der Anlage stellten sie aber nicht dar. Im Gegenteil, Rosso ist davon überzeugt, dass Cattenom die Betriebserlaubnis für weitere zehn Jahre erhalten wird.

 Landesumweltministerin Ulrike Höfken  stellt  das Sicherheitsgutachten für das Kernkraftwerk Cattenom vor.

Landesumweltministerin Ulrike Höfken stellt das Sicherheitsgutachten für das Kernkraftwerk Cattenom vor.

Foto: Bernd Wientjes

In drei Jahren beginnt das Anhörungsverfahren für die geplante Laufzeitverlängerung ab 2026. „Dabei wollen wir uns auf der Grundlage des Gutachten kritisch positionieren“, sagt Höfken. Die Ergebnisse bildeten eine „sehr gute und wichtige Grundlage“ dafür, dass die Anlage nicht länger am Netz bleibe, ist die Grünen-Politikerin überzeugt. „Der Kampf um die Sicherheit geht weiter. Das Gutachten hat uns in diesem Vorhaben bestärkt.“

Der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz (CDU), der nach eigenem Bekunden in Sichtweite der vier Kühltürme von Cattenom auf dem Saargau wohnt, will das Gutachten in der nächsten Sitzung der Lokalen Informationskommission Cattenom mit den französischen Mitgliedern besprechen. Frankreich müsse eine Stellungnahme zu den Ergebnissen abgeben. Vor allem zu der Aussage, dass Cattenom nicht den heutigen europäischen Sicherheitsstandards für neue Atomkraftwerke entspräche. Schartz plädiert für europaweit einheitliche Standards für solche Anlagen.

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