Senioren am Steuer „Wir nehmen niemandem den Lappen weg“

Trier · Der ADAC bietet Fahr-Fitness-Checks und Schulungen für Senioren an. Ein Gespräch mit dem Experten und Fahrlehrer Herbert Fuss.

   Ein Rentner testet in einem ADAC-­Fahrsicherheitszentrum  unter Anleitung eines Trainers  seine Geschicklichkeit.

Ein Rentner testet in einem ADAC-­Fahrsicherheitszentrum  unter Anleitung eines Trainers  seine Geschicklichkeit.

Foto: picture alliance / dpa/Anja Sokolow

Als Karl Müller (Name von der Redaktion geändert) seinen Führerschein machte, waren noch 1,5 Promille Alkohol im Blut erlaubt – und der Verkehrsschilderwald lichter. Der Senior blickt auf ein fast 60-jähriges unfallfreies Autofahrerleben zurück. Auf Drängen seiner Tochter –  „Papa, du fährst nicht mehr richtig“ – meldete er sich prompt beim ADAC-Mittelrhein zum Fahr-Fitness-Check an. Herbert Fuss leitet dort die Abteilung Verkehr und Technik und  ist ausgebildeter Fahrlehrer. An einem Samstag fuhr er zu Müller nach Hause, setzte sich in dessen Auto auf den Beifahrersitz, der Senior startete den Motor.

Sie fuhren über Straßen, die der Endsiebziger alltäglich fährt: zum Supermarkt, zum Arzt, zum Stammtisch, zu seiner Tochter. Autobahn ist ihm mittlerweile zu schnell, da bleibt er lieber weg. Später bei Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer der Müllers sagte Fuss ihm, was er beobachtet und notiert hatte: „Wenn Sie so weiterfahren, ist das kein Problem. Schauen Sie noch öfter in den Innenspiegel und über die Schultern.“

So schildert der ADAC-Experte die Fahrprobe mit Karl Müller. In einem anderen Fall  drohte der Fahr-Fitness-Check nach fünf Minuten in einem Kreisel zu enden. Der 70-Jährige am Steuer wusste plötzlich nicht mehr, wo er war und wohin er wollte. Fuss sagt, er habe den Senior beruhigt und nach Hause gelotst. Dort sei der leicht demente Mann wieder völlig „normal“ gewesen. Fuss schildert, er habe dem Mann schonend beigebracht, besser kein Auto mehr zu fahren, da er eine Gefahr für sich und andere sein könne.

Fuss betont, dass der Fahr-Fitness-Check keine Prüfung ist. „Wir halten den Senioren einen Spiegel vor.“ Behörden würden nicht informiert – und „wir nehmen niemandem den  Lappen weg.“ Die meisten Menschen seien einsichtig.

Der ADAC-Experte hat dem leicht dementen Senior Alternativen aufgezeigt: Auto verkaufen und den Erlös in Taxifahrten investieren, den Bürgerbus nutzen oder die Kinder fragen, welche Fahrdienste sie übernehmen können. Fuss hat oft mit Senioren zu tun und weiß, was es bedeutet, wenn Menschen in einem bestimmten Alter ihr Auto stehen lassen sollen. „Denn Mobilität bedeutet Teilhabe am sozialen Leben“, sagt der ADAC-Experte.

 Eine Rentnerin startet ihr Auto für ein Fahrtraining im Rahmen eines „Aktionstags Senioren im Straßenverkehr“.

Eine Rentnerin startet ihr Auto für ein Fahrtraining im Rahmen eines „Aktionstags Senioren im Straßenverkehr“.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Dabei bricht der Fahrlehrer eine Lanze für ältere Autofahrer. Senioren machten altersbedingte Einschränkungen wie ein enger werdendes Sichtfeld  durch ihre Erfahrung wett. Die beiden Verkehrsunfälle vergangene Woche mit drei Toten, verursacht durch Fahrer älter als 80, seien zweifelsohne sehr tragisch, sagt Fuss. „Aber betrachtet man die  Holzkreuze am Wegesrand, dann stehen dort keine Geburtsjahrgänge 1935 oder 1940 drauf, sondern 2000.“ Die Forderung, Alte sollten den Führerschein abgeben, komme von den Jungen. Fuss weist auf Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung hin: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“  Auch dahin sollte seiner Meinung nach in der Diskussion „Zu alt zum Fahren?“ die Reise gehen. Denn die meisten älteren Menschen seien vernünftig genug, zu erkennen, wann die Zeit gekommen sei, das Auto stehen zu lassen.

Jährlich nehmen laut Fuss 40 bis 50 Senioren – meist Männer um die 70 – an dem Fahr-Fitness-Check des ADAC Mittelrhein teil. Während seiner Zeit als Fahrlehrer sei seine älteste Fahrschülerin übrigens 65 gewesen. „Ihr Mann war verstorben, und sie wollte das tolle Auto, das nun in der Garage stand, fahren. Verständlich.“

Neben dem Fahr-Fitness-Check und einer speziellen Schulung für Senioren (siehe Extra) hat der ADAC-Fachmann noch einen Tipp  „Bei meinen 84-jährigen Vater spreche ich immer mal wieder das Thema Autofahren an.“ Wichtig sei dabei, nicht belehrend sondern interessiert zu sein. Mal fragen: Klappt das noch? Oder: Was macht das Auto? Oder heimlich die Mutter fragen.

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