"43 Cent - jetzt, hier und sofort!"

Insgesamt 800 Landwirte aus der Region haben sich gestern in aller Frühe auf den Weg zu den Großmolkereien Milchunion Hocheifel (Muh) und der Hochwald-Molkerei in Thalfang gemacht. Mit etwa 100 Schleppern blockierten sie ab 4 Uhr die Werkstore.

 Mit schwerem Gerät sind die Milchbauern angerückt, um die Werkstore der Pronsfelder Molkerei zu blockieren. TV-Foto: Fritz Peter Linden

Mit schwerem Gerät sind die Milchbauern angerückt, um die Werkstore der Pronsfelder Molkerei zu blockieren. TV-Foto: Fritz Peter Linden

Pronsfeld/Thalfang. Matthias Nosbisch aus Niederweis bei Bitburg, Milchbauer mit 100 Kühen, ist seit 1 Uhr in der Nacht auf den Beinen. Mit fünf weiteren Kollegen ist er mit seinem 150-PS-Schlepper nach Thalfang gefahren. Gegen 4 Uhr steht er mit seinem Traktor vor dem Werkstor der Hochwald-Molkerei. 40 weitere Schlepperfahrer sind gekommen und blockieren die Ein- und Ausfahrt. Unterstützt werden sie von einigen Land-, Futtermittel- und Landmaschinenhändlern. Auch sie haben große Maschinen vorgefahren. Nosbisch liefert, wie fast alle anderen streikenden Bauern, seit über einer Woche keine Milch mehr an "seine" Genossenschaft. Rund 20 000 Liter Milch hat der Landwirt seitdem an die Tiere verfüttert oder in den Gülletank gepumpt. Der Verlust für seinen Betrieb: rund 7000 Euro.Kurz nach 11 Uhr beginnen die Kundgebungen. Sowohl in Thalfang als auch in Pronsfeld versammeln sich jeweils 400 Bauern vor den Werkstoren der beiden Molkereien, um ihrem Unmut Luft zu machen. In Thalfang singen sie gemeinsam den Hit "No milk today". Auf einem Transparent steht: "Für uns ist es enttäuschend und beschämend, dass die Molkereien, welche ja bauerneigene Betriebe sind, nicht geschlossen hinter den Forderungen ihrer Bauern stehen. Das Gleiche gilt auch für unsere Berufsvertreter."Viele der demonstrierenden Bauern in Pronsfeld und Thalfang sind nicht nur von den Molkereien, sondern auch vom Bauernverband enttäuscht. Nosbisch will aus dem Bauernverband austreten. Er rechnet ferner mit einer Kündigungswelle. "Unsere offiziellen Vertreter haben nichts getan, damit wir bessere Preise erzielen", sagt er. Vielmehr hätten die Verbandsfunktionäre alles getan, um den BDM klein zu halten. Der BDM, das ist der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Ihm haben sich zahlreiche Betriebe in der Region angeschlossen. Er hat zu dem Lieferstopp aufgerufen und auch die Werksblockaden und Kundgebungen in Pronsfeld und Thalfang organisiert. "Wir wollen noch mal richtig Druck machen"

Alice Endres, stellvertretende Landesvorsitzende des BDM, ruft unter Beifall in Thalfang ins Mikrofon: "Der Einzelhandel will diesen Streik aussitzen. Das können wir auch." "Alle deutschen Molkereien sind dicht", sagt BDM-Landesvorsitzender Oliver Grommes in Pronsfeld. "Wir wollen noch mal richtig Druck machen und zeigen, dass wir es ernst meinen." Bei der Kundgebung gibt er das Motto aus: "43 Cent - jetzt, hier und sofort!"Ernst wird es unterdessen auch für die Molkereien: Millionenverluste jeden Tag, drohende Regressforderungen von Kunden, Spediteuren oder von Bauern, die trotz des Streiks Milch abliefern wollen und nicht können. Für diese Landwirte bittet Michael Horper, Vorsitzender des Bauernverbands im Eifelkreis, um Toleranz: "Es gibt viele, die aus persönlichen Gründen oder wirtschaftlicher Not weiter liefern wollen - auch die muss man verstehen." Obwohl auch er Verständnis für den Protest der Blockierer habe und hinter ihren Forderungen stehe.Starker Druck auf die Streikbrecher

Tatsächlich hört man hier und da, dass die "Streikbrecher" zum Teil erheblichem Druck von ihren Kollegen ausgesetzt sind. Auch deshalb geht dann noch einmal Kurt Kootz, stellvertretender BDM-Landesvorsitzender, ans Mikrofon: "Auch wenn es schwer fällt: Bleibt sachlich! Es bringt nichts, wenn wir im Streit auseinander gehen." Gegen Nachmittag ist es so weit: Dem Pronsfelder Unternehmen geht der Rohstoff aus. Um 16.30 Uhr meldet die Muh: "Die ersten Produktionslinien stehen, am Dienstag geht definitiv nichts mehr." Die Hochwald-Molkerei Thalfang hat noch Milch bis in die Nacht. Kann bis dahin keine Milch angeliefert werden, wird auch sie die Produktion einstellen.

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