6,2 Millionen Euro für Stromnetz der Zukunft

Trier/Bitburg · Deutschlandweit gibt es nur wenige Landstriche, in denen sich Windkraftanlagen so häufig neben Photovoltaik- und Biogasanlagen drehen wie in der Eifel. Doch die Energieeinspeisung von dezentralen, alternativen Anlagen stellt die Stromnetze vor große Aufgaben. Mit einem weltweit einzigartigen Projekt versuchen vier Partner, eine kostengünstige Lösung zu finden.

 Das in der Eifel angesiedelte Projekt „Zukunftsnetze" für Strom nimmt weiter Formen an. Hier wird in Großlangenfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm ein Mittelspannungsregler in der Größe eines Übersee-Containers auf sein Fundament gestellt. Dort wird das in Deutschland einzigartige Gerät künftig im 20 000-Volt-Bereich über eine gleichbleibende Spannung wachen. Gebaut wurde das Teil in Neuseeland. Foto: rwe

Das in der Eifel angesiedelte Projekt „Zukunftsnetze" für Strom nimmt weiter Formen an. Hier wird in Großlangenfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm ein Mittelspannungsregler in der Größe eines Übersee-Containers auf sein Fundament gestellt. Dort wird das in Deutschland einzigartige Gerät künftig im 20 000-Volt-Bereich über eine gleichbleibende Spannung wachen. Gebaut wurde das Teil in Neuseeland. Foto: rwe

Trier/Bitburg. Ohne einen schnellen Netzausbau bleibt die Ökoenergie in Deutschland auf der Strecke. "Wir rechnen mit 20 bis 40 Milliarden Euro an Kosten", sagte kürzlich der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth. Im Schnitt könnte dies einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 4000 Kilowattstunden mit 40 bis 60 Euro höheren Stromkosten im Jahr belasten. Doch es gibt interessante Alternativen für den Netzausbau, der durch den rasanten Ausbau der regenerativen Energien auch in der Region (siehe Extra) notwendig wird. Intelligentes Netz

Rund 6,2 Millionen Euro stecken die vier Partner RWE Deutschland, der Anlagenbauer ABB, das Consulting-Unternehmen Consentec sowie die Technische Uni Dortmund in das Pilotprojekt. Mit 4,7 Millionen Euro trägt der Energiekonzern RWE den Mammutanteil. Das einzigartige sogenannte intelligente Stromnetz soll durch einen Biogasspeicher Schwankungen abfedern. Worum geht es?Herkömmliche Kraftwerke liefern Strom von gleichbleibender Qualität ins Netz ab. Die Spannung im Netz bleibt immer gleich. Das ist für den Verbrauch wichtig, denn alle Geräte wie Radio, Fernseher, Kühlschrank, Lampen und Leuchten und selbst der Elektrorasierer brauchen eine schwankungsfreie Spannung."Doch Wind-, Biogas- und Photovoltaikanlagen schwanken sehr stark in ihrer Leistung", sagt RWE-Pressesprecher Rolf Lorig. Werden diese Spannungsunterschiede nicht ausgeglichen, funktionieren die Geräte nicht. "Bei den alten Röhrenfernsehern hat man einen Spannungsabfall daran gesehen, dass das Bild plötzlich viel kleiner wurde, und bei zu hoher Spannung konnten auch schon mal Glühlampen kaputt gehen." Das "Zukunftsnetz", das nun in der Eifelregion entsteht, versucht solchen Ausfällen vorzubeugen. "Wir setzen dabei nicht mehr nur auf den quantitativen Ausbau, sondern auch auf neue Erkenntnisse und die Vernetzung dieser Technik. Die Projektergebnisse dienen uns auch als Grundlage für die zukünftige regionale Netzplanung", erläutert RWE-Projektleiter Torsten Hammerschmidt. Ein solches "intelligentes Stromnetz" hätte nach Meinung der Experten zudem den Vorteil, dass die Kosten für den Netzausbau minimiert werden könnten. Wie funktioniert das Pilotprojekt?"Unser Modellprojekt besteht aus vier Bausteinen", sagt Projektleiter Hammerstein. Dabei greift das Konsortium auf bewährte Technik aus anderen Bereichen zurück, baut sie aber für das "Zukunftsnetz" ganz neu zusammen. Gerade ist in Großlangenfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm ein Baustein installiert worden. Der sogenannte Spannungsregler wurde aus Neuseeland von der Firma ABB angeliefert. Rund eine halbe Million Euro kostet dieser Mittelspannungsregler. Weitere Spannungsregler sind vor und hinter Ortsnetzstationen oder beim Kunden angebracht. Zum ersten Mal wird in dem Projekt zudem die Stromspannung über eine erweiterte Biogasanlage gesteuert. Die Anlage des Landwirtes Hoffmann in Üttfeld-Spielmannsholz ist somit ebenfalls ein Ausgleichsinstrument. Der dritte Baustein besteht aus Messpunkten an 20 Stellen im Netz sowie an 48 Photovoltaik anlagen. Kontinuierlich werden hier Spannung und Strom gemessen, um die Netzplanung optimieren zu können. Baustein Nummer vier ist eine Stammstrecke mit Pausenschaltern. Dabei handelt es sich um eine neu errichtete "Strom-Autobahn", die die bisherigen "Strom-Landstraßen" entlastet und damit die Anschlusskapazität für die dezentrale Erzeugung erhöht. Durch den Einsatz von Pausenschaltern wird die Ausbreitung von Fehlern verhindert, weil nur so viel Strom auf die Netze geschickt wird, wie fehlerfrei ablaufen kann. Hammerstein setzt auf das Pilotprojekt: "Alle diese Bausteine dienen dazu, mehr regenerative Energie kostengünstig an das Stromnetz der Zukunft anschließen zu können."Der Ausbau der regenerativen Energieträger stellt ganz neue Anforderungen an die Netzbetreiber. Das zeigt das Beispiel Eifel. In der dünn besiedelten Region reichte bislang ein "kleines Netz" aus, um die Bevölkerung mit Strom zu versorgen. Doch die Eifel mausert sich zum Energielieferanten. 2006 gab es im Gebiet des RWE-Regionalzentrums Trier etwa 800 dezentrale Energieerzeugungsanlagen. Am Nieder- und Mittelspannungsnetz des Regionalzentrums Trier waren Ende 2010 rund 5550 dezentrale Erzeugungsanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 837 Megawatt (MW) angeschlossen. Darüber hinaus speisen derzeit 57 Windenergieanlagen mit einer Einspeisekapazität von 107 MW in das übergeordnete 110 000-Volt-Netz ein. In 2010 lagen im Regionalzentrum Trier über 2230 Anfragen zur Einspeisung regional erzeugter elektrischer Energie vor. Mit 2150 Anfragen lag dabei der Schwerpunkt im Bereich Photovoltaik. hw

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