Abwanderungs-Gelüste

Berlin . (has) Fast jedes zweite Unternehmen der Bekleidungsindustrie, vier von zehn Elektrogeräteherstellern und mehr als ein Drittel der Betriebe des Kraftfahrzeugbaus planen eine Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland.

"Alarmierend" sind nach Einschätzung von Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), solche Vorhaben der deutschen Wirtschaft. Insgesamt will fast jedes vierte heimische Industrieunternehmen in den nächsten drei Jahren vor allem nach Asien, Mittel- und Osteuropa auswandern, um dort zu produzieren. Das ist das Ergebnis der jüngsten DIHK-Umfrage bei rund 10 000 Firmen. Neu sind solche Abwanderungsszenarien nicht. Experten warnen schon seit längerem davor, dass mittelfristig immer mehr Unternehmer immer größere Teile ihrer Steuern aufgrund der günstigeren Standortfaktoren anderswo zahlen. Bislang beschäftigen deutsche Industrieunternehmen laut DIHK im Ausland rund 2,4 Millionen Menschen. Bis 2005 rechnet die Kammer mit 50 000 Arbeitsplätzen pro Jahr, "die als Folge von deutschen Standortnachteilen im Ausland und nicht in Deutschland entstehen". Für 45 Prozent der vom DIHK befragten Unternehmen sind die zu hohen Arbeitskosten ein Motiv für die mögliche Abwanderung. 38 Prozent beklagen die hohe Steuer- und Abgabenlast sowie das komplexe Steuersystem. In diesem Mai wüssten die "Unternehmer immer noch nicht, welche Steuern sie am Ende des Jahres bezahlen müssen", klagt der Hauptgeschäftsführer. Hinzu kämen die Bürokratielasten hierzulande, die Firmen mit anderen Ländern liebäugeln ließen. Zielregionen der Manager sind zunehmend Asien, Mittel- und Osteuropa, auch die Staaten der EU sind nach Angaben der Kammer weiterhin für deutsche Unternehmer attraktiv. Neu ist die Tatsache, dass Abwanderung nicht mehr nur ein Thema für die Großbetriebe und lohnintensiven Branchen zu sein scheint. Deutschland den Rücken kehren will gemäß der Umfrage auch jedes sechste kleinere Industrieunternehmen, sprich der Mittelstand. Der sei zum Teil darauf angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so Wansleben.

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