Finanzen Ein Tüv für die Beratung und das Ende von „Los Wochos“

WITTLICH · Als zweite Bank in ganz Deutschland ist die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank in Wittlich nach der neuen Finanz-DIN-Norm zertifiziert worden.

 Die Bankvorstände Michael Hoeck und Peter van Moerbeeck (Mitte) präsentieren das Zertifikat für die DIN-normierte Finanzanalyse der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank. Links VVR-Bereichsleiter Privatkunden Uli Schlösser, rechts daneben Claus Rieger (Zertpro Finanz GmbH) und Banktester Kai Fürderer.

Die Bankvorstände Michael Hoeck und Peter van Moerbeeck (Mitte) präsentieren das Zertifikat für die DIN-normierte Finanzanalyse der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank. Links VVR-Bereichsleiter Privatkunden Uli Schlösser, rechts daneben Claus Rieger (Zertpro Finanz GmbH) und Banktester Kai Fürderer.

Foto: TV/Björn Pazen

Licht? Geht! Blinker? Funktioniert! Bremse? In Ordnung! Roststellen? Keine! So oder ähnlich kennt das jeder Autobesitzer. Alle zwei Jahre muss das Fahrzeug über den Tüv, wird an allen sicherheitsrelevanten Stellen kontrolliert. Dann gibt es die neue Plakette für zwei Jahre. Seit Februar 2019 gibt es so etwas wie einen Tüv auch für alle deutschen Banken und Finanzdienstleister. Und wie es in Deutschland so üblich, liegt dieser Überprüfung eine Din-Norm zugrunde, die Din-Norm 77230 - Basisfinanzanalyse für Privathaushalte.

Fast sieben Jahre haben Experten aus Banken, Versicherungen, Maklerverbänden, aber auch der Din-Verbraucherrat oder die Stiftung Warentest gebraucht, bis die Din 77230 auf über 80 Seiten festgeschrieben war. Die Din-Norm umfasst 42 Einzelbereiche, die beschreiben, welche Punkte ein Bank- und Finanzberater in der sogenannten Bedarfsanalyse abklopfen muss.

Claus Rieger ist ehemaliger Banker und heute Geschäftsführer der Zertpro Finanz GmbH. Er war am gesamten Prozess der Din-Normierung beteiligt. Er vergleicht die zertifizierte Beratung mit der Erstellung eines Blutbilds. „Wenn ich zu zehn Ärzten gehe, sollte das große Blutbild zehnmal identisch sein. Wenn ich zu zehn Bank- oder Finanzberatern ging, hatte ich zehn verschiedene Ergebnisse.“ Das soll nicht sein, denn der Bedarf des Kunden soll nicht an den Produkten oder Provisionen der Bank ausgerichtet sein, sondern zunächst einmal an den existenziellen Absicherungen des Kunden – zum Beispiel durch Krankenversicherungen, Berufsunfähigkeits-Schutz oder Haftpflichtversicherungen. Hinzu kommt eine Abfrage der Liquidität zum Beispiel bei kurzfristigem Jobverlust. Und ganz am Anfang steht die Einnahmen-Ausgaben-Übersicht des Kunden und seines Haushalts.

„Bei der Beratung soll es nicht wie Los Wochos zugehen. Wenn die Bank Bausparwochen hat, werden Bausparverträge verkauft, in den Pflegewochen Pflegezusatzversicherungen und in den Fondswochen Aktienfonds.“ Das sagt Kai Fürderer, Geschäftsführer der Gesellschaft für Qualitätsüberprüfung und Qualitätsentwicklung in der Finanzbranche. Er entsendet permanent zwölf speziell ausgebildete Testkäufer  zu Banken oder Versicherungen, um die Beratungsqualität zu überprüfen. „So testen wir bis zu 2000 Banken in bis zu 400 Städten jährlich.“

Ein Testkunde kommt zum Beispiel mit dem Wunsch, 200 Euro anlegen zu wollen zu den Banken. „Im idealtypischen Beratungsgespräch geht es dann nicht gleich um die Produkte, sondern es werden zwölf oder 13 verschiedene Themen analysiert, um überhaupt einmal zu wissen, wer da vor einem sitzt. Da muss der Kunde alle finanziellen Details nennen“, sagt Fürderer, „speziell auch die Höhe und Anzahl der Konsumentenkredite“.

Das Wichtigste an dieser neuen Din-Norm ist für Rieger „die Glaubwürdigkeit und Transparenz in der Finanzberatung. Die Norm ist ein Vorteil für die Kunden und die Berater“. Dafür hat die Gesellschaft für Qualitätsüberprüfung einen 17-stufigen Ablauf des Beratungsgesprächs zusammengestellt.

Das hört sich nach einem stundenlangen Gespräch an – aber das wollen die Kunden eigentlich nicht: „Eine Befragung hat ergeben, dass Kunden bereit sind, höchstens eine Stunde, in Ausnahmefällen auch 75 Minuten für ein solches Gespräch zu investieren“, sagt Rieger. Daher müsse der Termin anhand eines strikten Ablaufplans erfolgen, die Ergebnisse der Analyse werden dann gleich in ein Computerprogramm eingegeben, das dann grüne und rote Ergebnisse ausspuckt. Grün heißt alles o.k., was zum Beispiel Absicherungen betrifft, rot heißt: Da sollte etwas getan werden.

Bei der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank (VVR) mit Hauptsitz in Wittlich sind alle Ampeln auf Grün, das hat die Genossenschaftsbank seit einigen Wochen schwarz auf weiß. Als erst zweite Bank in Deutschland hat sich die VVR nach der Din-Norm zertifizieren lassen. Zahlreiche Testkäufer waren zu angemeldeten und unangemeldeten Beratungsgesprächen bei der Bank, schon früh waren auch Rieger und die Zertpro Finanz GmbH involviert.

„Wir haben uns drei Jahre lang mit der Din-Norm befasst, haben unsere gesamte Beratung auf diese zertifizierten Abläufe umgestellt, nachdem wir schon unsere Baufinanzierung vom Tüv hatten zertifizieren lassen“, sagt Peter van Moerbeeck, Vorstand der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank: „Wir waren fasziniert von der Idee der vereinheitlichten Bedarfsanalyse.“

Unter der Leitung von Uli Schlösser, Bereichsleiter Privatkunden, wurden alle 30 Berater geschult, die Beratungssoftware wurde umgestellt. „Es darf ja nicht sein, dass in einer Filiale der Kunde so und in der nächsten anders beraten wird“, sagt Schlösser. Nachdem bei den Testkäufen eine „sehr gute Beratung“ attestiert worden war, wurde die Zertifizierung angegangen. „Die VVR-Bank war sehr gut vorbereitet, deswegen dauerte das nicht sehr lange“, sagt Rieger.

„Wir wollen qualitativ hochwertig beraten und dabei authentisch sein“, fasst VVR-Vorstand Michael Hoeck zusammen: „Für uns ist Verbraucherschutz keine Bedrohung, sondern unsere Messlatte.“ Als erstes Zwischenergebnis konnte Schlösser bereits eine gestiegene Zahl von Privatkunden ausmachen und einen Trend, dass sich mehr Berater bei der Bank bewerben. „Bei der Personalsuche legen wir Wert  auf diese Beratungsphilosophie“, sagt Schlösser.

Und wie beim Tüv fürs Auto war die Zertifizierung nicht der letzte Test. Die „Tüv-Plakette“ für die VVR läuft im November 2020 aus, dann wird alles neu überprüft und zertifiziert.

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