Am Anfang war BSE

Trier · Heute kämpfen in Koblenz zwei Kandidaten darum, Nachfolger von Leo Blum (68) zu werden. Der scheidende Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau spricht im TV-Interview über BSE, die Milchquote, köstlichen Riesling und das schlechte Image seines Berufsstands.

Trier. 15 Jahre lang hat Leo Blum als Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau die Interessen von 17 000 Mitgliedern vertreten. In einer Zeit, die geprägt war von einem tiefgreifenden Wandel seines Berufsfelds: Immer weniger Landwirte und Betriebe, größere Flächen, neue Auflagen, weltweite Konkurrenz und diverse Skandale. Heute wird in Koblenz der Nachfolger des 68-Jährigen gewählt. Unsere Redakteurin Katharina Hammermann hat mit Blum über bewegte Zeiten gesprochen. Herr Blum, was waren die einschneidenden Ereignisse in diesen 15 Jahren?Leo Blum: Ich bin 2000 Präsident geworden, und da ging es direkt los mit Hiobsbotschaften: BSE, drei Buchstaben. Auch bei uns in der Region gab es Fälle. Viele mussten ihre Tiere keulen. Es gab Wissenschaftler, die sagten, durch BSE würden Tausende Menschen dahingerafft. Eine Hysterie war das. Und bis heute ist nachweisbar über BSE niemand erkrankt. Es kamen Vogelgrippe und Dioxinskandale. Dabei war nie ein Landwirt schuld, sondern gewinnsüchtige Menschen im vor- und nachgelagerten Bereich. Doch die Bauern haben darunter gelitten. Das war mein Einstig. Das war schlimm. Was war die wichtigste Veränderung, die die Branche mitgemacht hat?Blum: 2004 hat die EU eine gemeinsame Agrarpolitik beschlossen: Unsere Produkte mussten sich plötzlich den liberalen Märkten stellen. Es gab keine Exporterstattungen und keine Importbeschränkungen mehr. In der Qualität war das kein Problem, aber in den Preisen. Das war hart am Anfang, aber heute sind wir froh, dass wir das so gut gemeistert haben. Eine weitere Revolution steht an: Im April wird die Milchquote abgeschafft. Was halten sie davon?Blum: Die Quote hat uns nicht ansatzweise geholfen. In den vergangenen 30 Jahren haben wir 90 Prozent der Milchviehbetriebe verloren. 1984 waren es noch 22 000. Heute haben wir weniger als 2000. Und die Preise waren auch im Keller. Trotz der Quotenregelung. Der Milchabsatz in der EU ist rückläufig. Unsere Chance sind Länder wie China, Vietnam oder Thailand, die eine starke Nachfrage nach Molkereiprodukten haben. Wir brauchen diese Wachstumsmärkte. Was hat Sie geärgert?Blum: Was uns zu schaffen macht, sind die ganzen EU-Vorgaben. Wir träumen in Europa von Greening und Extensivierung und bekommen ein Grünlandumbruchverbot, obwohl weltweit immer mehr Lebensmittel gebraucht werden. Greening ist ein gewaltiger Verwaltungsaufwand. In Rheinland-Pfalz sind mittlerweile 60 Fachleute für Kontrollen freigestellt. Die fehlen für die Beratung von Landwirten. Die ausufernde Bürokratie macht uns zu schaffen. Warum wirtschaften nur fünf Prozent der Bauern biologisch? Hinkt das Land hinterher?Blum: Nein, das glaube ich nicht. Die Entscheidung, Bioprodukte zu produzieren, muss jeder selbst treffen. Da muss man ein Faible haben. Zudem gibt es durch die Discounter im Biobereich auch einen Preisdruck. Wenn die Sache lukrativ wäre, wäre das Interesse größer. Viele Landwirte sind zu Energiewirten geworden. War das richtig?Blum: Solange wir ausreichend Lebensmittel haben und kein Druck auf die Preise kommt, können wir auch Energie aus den Agrarprodukten gewinnen. Allerdings, und da kritisiere ich Frau Merkel, fehlt bei uns die Kontinuität in der Frage der erneuerbaren Energien. Beim Biogas mussten alle Hoffnungen zurückgefahren werden. Es wird so gut wie keine Anlage mehr gebaut.Welchen Wandel haben Sie beim Weinbau erlebt?Blum: Wir haben einen qualitativen Quantensprung gemacht. Diese Weine, die wir produzieren, haben eine eigene Art. Speziell der Riesling mit seiner Kombination von Säure und Süße, das gibt es in keinem anderen Wein und in keinem anderen Land. Es macht mir daher auch keine allzu großen Sorgen, wenn die Anbaugebiete künftig ausgedehnt werden. Was ist die größte Herausforderung für Ihren Nachfolger?Blum: Das Image der Landwirtschaft. Wenn du dir an 365 Tagen im Jahr die Kuhschwänze beim Melken um die Ohren schlagen lässt und liest dann oder hörst an der Theke, was für Schmutzfinken wir sind, Tierquäler, Umweltverschmutzer, schuld an Massentierhaltung und Antibiotika, die nicht mehr wirken… Das macht uns Bauern kaputt. Das geht ans Herz, an die Seele. Da müssen wir dran arbeiten. Unsere Lebensmittel sind so gut wie noch nie, und unseren Tieren geht es gut wie noch nie. Das müssen wir rüberbringen, zum Beispiel, indem wir unsere Höfe öffnen. Das schlechte Image der Landwirte tut mir zum Ende am meisten weh. kahExtra

Leo Blum aus Hillesheim-Niederbettingen wurde im Jahr 2000 Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, der 17 000 Mitglieder in 14 Landkreisen vertritt. Zudem stand Blum 33 Jahre lang an der Spitze des Kreisverbands Vulkaneifel. Der verheiratete 68-Jährige hat die Landwirtschaft von der Pike auf gelernt. kah Extra

80 Delegierte wählen heute das neue Präsidium des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau (Amtszeit fünf Jahre). Als Präsidenten kandidieren Vizepräsident Michael Horper aus Üttfeld in der Eifel (57, Foto links) und Ulrich Schreiber (56, Kreis Neuwied, rechts). Beide halten Milchvieh, sind verheiratete Väter - Schreiber von fünf, Horper von zwei Kindern. Und beide sind Kreisverbandsvorsitzende sowie Kreistagsmitglieder - Schreiber für die FDP und Horper für die CDU. Als Stellvertreter kandidieren Schreiber, Walter Clüsserath (Trier-Saarburg), Thomas Höfer (Nahe) und Manfred Zelder (Bernkastel-Wittlich). Für die vier Beisitzer-Stellen treten an: Wilfried Berg, Arno Billen, Walter Clüsserath, Ernst-Josef Kees, Rita Lanius-Heck, Harald Schneider und Manfred Zelder. sey

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