Am Kittel geflickt

(sas) Der Zustand des Gesundheitssystems könnte eine Szene aus einer schlechten Arztserie sein: Der Patient ist sterbenskrank. Es hilft nur eine komplizierte Operation. Doch bevor jemand das Skalpell in die Hand nimmt, streiten sich alle Beteiligten über die Therapie.

Zur Erinnerung: In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geht es um den solidarischen Ausgleich des Risikos Krankheit. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Auf ein Prozent der Patienten fallen 30 Prozent aller Ausgaben der GKV. Die gesunde Hälfte der 72 Millionen Versicherten hingegen nimmt im Schnitt Leistungen im Wert von weniger als 50 Euro im Jahr in Anspruch - und könnte selbstbestimmt viel Geld sparen. Innerhalb gewisser Grenzen soll deshalb künftig jeder Versicherte über den Umfang seiner Versicherung selbst entscheiden, wie dies Privatversicherte schon können. Doch kaum ein Patient kennt die Kosten seiner Behandlung. Stattdessen bilden Krankenkassen und Ärzteverbände Preiskartelle. Welcher Arzt wie viel bekommt, entscheiden nicht Patienten oder Kassen, sondern die kassenärztliche Vereinigungen, die auch über die Zahl der niedergelassenen Ärzte entscheiden. Schließlich entscheidet der Arzt, wieviel geschnippelt, verschrieben, geröngt wird. Die Deutschen werden zwar doppelt so oft durchleuchtet wie die Niederländer und schlucken zwei Mal mehr Pillen als Norweger - doch gesünder sind sie nicht. Deswegen ist es ein Fehler des deutschen Gesundheitssystems, dass fast nur um die Verteilung von Geld gestritten wird, statt einen Wettbewerb um die beste Versorgung zu fördern. Weiterer Knackpunkt: Weder die Starken tragen zur Finanzierung bei, noch kommt das Geld da an, wo es nötig wäre. Doch schon die Finanzierung ist unsolidarisch. Nur Besserverdienende mit einem Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze dürfen zur preiswerteren Privatversicherung wechseln. Beamte sind generell außen vor. Einkommen aus Vermietung, Verpachtung und Aktien werden ebenfalls nicht berücksichtigt - eine einseitige Belastung der arbeitenden Versichterten. Ehepartner von Beitragspflichtigen werden ebenfalls kostenlos mitversorgt, auch wenn sie keine Kinder großziehen oder Angehörige pflegen. Taxi-Schein am Urlaubsort, Zahnkorrektur oder Krücken - noch ist es ein dehnbarer Begriff, welche Gesundheitsleistungen erwünscht sind. Dabei könnte die Beschränkung auf Kernaufgaben bis zu 2,4 Prozent Beitrag eingesparen: Krankengeld (sieben Milliarden Euro), Privatunfälle (10,5 Milliarden Euro), Zahnersatz (3,5 Milliarden Euro) und Sterbegeld (800 Millionen Euro) stehen zur Disposition. Im Gegenzug müssten diese Risiken selbst versichert werden - zum Teil mit doppelter Belastung, da die Arbeitgeberanteile wegfallen und Alte, Kranke und Risiko-Patienten mit höheren Beiträgen rechnen müssen.

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