Arbeit für kleines Geld

Berlin · In Deutschland arbeiten immer mehr Menschen im sogenannten Niedriglohnsektor. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Statistischen Bundesamts, das jetzt vorgelegt wurde.

Berlin. Mit unterschiedlichen Daten und Studien ist in den vergangenen Monaten die Einkommens- und Verdienstsituation in Deutschland beleuchtet worden. Alle Untersuchungen stellten dabei übereinstimmend fest, dass der Anteil von Menschen, die mit Niedriglöhnen auskommen müssen, seit der Wende kontinuierlich gestiegen ist und zwischen einem Viertel und einem Fünftel aller Arbeitnehmer beträgt. Eine neue, amtliche Auswertung des Statistischen Bundesamtes, die gestern in Berlin veröffentlicht wurde, beziffert den Anteil nun auf exakt 20,6 Prozent aller Arbeitnehmer.
Nicht alle erfasst


Die Zahl ist das Ergebnis einer nur alle vier Jahre vorgenommenen Analyse der betrieblich erfassten Daten von 1,9 Millionen Beschäftigten. Als Grenze galt ein Bruttolohn von 10,36 Euro pro Stunde. Vor vier Jahren lagen 18,7 Prozent aller Arbeitnehmer unter diesem Niveau, 1,9 Prozentpunkte weniger als heute. Die Wirtschaftszweige mit dem höchsten Anteil an Niedriglöhnern sind Taxis (87 Prozent), Friseur- und Kosmetiksalons (85,6 Prozent), Gebäudereinigung (81,5 Prozent) und das Gastgewerbe (77,3 Prozent).
Faktisch dürften aber noch mehr Menschen für geringe Löhne arbeiten, betonten die Statistiker, denn Arbeitnehmer aus Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten, aus der Land- und Forstwirtschaft sowie Hausangestellte wurden nicht erfasst. Sie machen zusammen fast 18 Prozent aller Beschäftigten aus und haben überwiegend eher geringe Verdienste. Die Auswertung sagt direkt nichts über die Gesamteinkünfte der Betroffenen aus; es geht nur um die Höhe der Löhne pro Stunde.
Die Bezahlung mit Magerlöhnen geht laut der Untersuchung häufig einher mit einer atypischen Beschäftigung. Das sind Jobs mit befristetem Vertrag, in Teilzeit, Zeitarbeit oder Minijobs. Während fast jeder zweite, der atypisch beschäftigt war, mit weniger als 10,36 Euro pro Stunde auskommen musste, waren es bei den sogenannten Normalarbeitnehmern 10,8 Prozent. Der Anteil der atypisch Beschäftigten ist seit der Wiedervereinigung kontinuierlich von 13,7 auf 25,1 Prozent gestiegen. Dabei gilt: Je schlechter die Ausbildung, umso häufiger kommen solche Arbeitsbedingungen vor - und eben im Gefolge dann auch Niedriglöhne.
Vor sechs Monaten war eine Studie der Duisburger Universität zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Sie hatte ergeben, dass in Deutschland insgesamt acht Millionen Menschen, jeder vierte Beschäftigte, weniger als 9,15 Euro brutto pro Stunde verdienen, davon fast die Hälfte weniger als sieben Euro.
Keine Mittel für Vorsorge


Die Bundesregierung hatte in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken vor kurzem ebenfalls festgestellt, dass im Jahr 2010 insgesamt 22,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als Geringverdiener einzustufen seien, 2,5 Prozentpunkte mehr als zehn Jahre zuvor.
Was die Entwicklung des Niedriglohnsektors unter anderem für die aktuelle Rentendebatte bedeutet, illustrierte das Statistische Bundesamt gestern mit folgenden Zahlen: Während 22,4 Prozent der Beschäftigen mit mittlerem Verdienst und 36,4 Prozent der Arbeitnehmer mit hohen Verdiensten in eine Betriebsrente investieren, also zusätzliche Altersvorsorge betreiben, sind es bei den Niedriglöhnern 6,2 Prozent der Beschäftigten. Sie haben schlichtweg das Geld nicht dafür übrig. Der Armut im Erwerbsleben folgt so später die Armut im Alter.

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