Arbeit statt Urlaub: IHK Trier und Verdi kritisieren Forderung aus dem Mittelstand

Berlin · Zwei Vertreter von Mittelstandsverbänden wollen den Jahresurlaub um bis zu zwei Wochen kürzen. Damit soll die Produktion vor dem Hintergrund des Wirtschaftsaufschwungs erhöht werden. Die Gewerkschaft Verdi hält die Idee für "politische Geisterfahrerei". Und auch aus Richtung der IHK Trier bläst Gegenwind.

Berlin. Müssen die Deutschen bald länger arbeiten? Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat sich in der "Bild"-Zeitung für eine zeitweise Senkung des Urlaubsanspruchs auf fünf Wochen ausgesprochen.

Der Unternehmerverband mittelständische Wirtschaft (UMW) ist sogar noch drastischer: "Sechs Wochen sind zu viel, vier Wochen reichen völlig aus", sagte die UMW-Vorsitzende Ursula Frerichs. Vor dem Hintergrund der anspringenden Konjunktur sei es problematisch, wenn Mitarbeiter einem Unternehmen drei bis vier Wochen am Stück fehlten. Auch BVMW-Präsident Mario Ohoven argumentierte: "Der Mittelstand hat jetzt wieder volle Auftragsbücher, da wird jeder gebraucht." Beide warben zudem dafür, den nicht in Anspruch genommenen Urlaub auf einem Arbeitszeitkonto zu parken und ihn bis zu einer schlechteren Auftragslage aufzusparen.

Beide Verbände präzisierten aber nicht, auf Grundlage welcher Urlaubsregelung sie argumentieren. Die Arbeitnehmer in Deutschland haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Urlaub von 24 Werktagen (inklusive Samstage). In der Regel liegt der Anspruch in den Tarifverträgen bei 30 Tagen. An letzterem könne man nicht rütteln, räumt Frerichs ein. Ihr Vorhaben richte sich aber zumindest an die nicht tarifgebundenen Unternehmen.

Bei der Dienstleistungsgewerkschaft verdi regt sich derweil Protest. "Das ist politische Geisterfahrerei", sagt Sprecher Jürgen Dehnert. Wie Frerichs hält auch Dehnert eine Änderung in den Tarifverträgen für unmöglich. "Das machen wir nicht mit. Wir lehnen jegliche Form von Arbeitszeitverlängerung ab." Eine Verkürzung des Urlaubs sei auch gar nicht notwendig. "Die Beschäftigten gehen jetzt schon ständig Kompromisse bei der Urlaubsplanung ein. Jeder Angestellte will ja schließlich auch, dass der Arbeitsgeber die Aufträge erfüllen kann."

Ähnlich sieht es die Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier. "Über Arbeitszeitkonten und flexible Arbeitszeiten gibt es genügend Mittel, Probleme bei der Produktion betriebsintern zu regeln", sagt Matthias Schmitt vom Sachbereich Standortpolitik der IHK. Außerdem hätten die meisten Unternehmen noch genügend "Reserven". "In vielen Betrieben sind noch einige Kurzarbeiter beschäftigt."

Meinung

Ferien in Absurdistan

Bei den Mittelstandsverbänden herrscht offenbar Fachkräftemangel und sommerlochbedingte Produktionsspitze. Anders lassen sich ihre Forderungen wohl nicht erklären. Mit der Realität haben sie nicht viel gemein. Mal abgesehen davon, ob sich der Urlaubsanspruch tarifrechtlich so kurzfristig ändern lässt: Schon jetzt sprechen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Urlaubszeitverkürzung oder -verschiebung ab. Schon jetzt gibt es mit den Arbeitszeitkonten ein wirksames Mittel bei Mehrarbeit. Herr Ohoven und Frau Frerichs brauchen Urlaub - in Absurdistan sind immer Betten frei. p.wiermer@volksfreund.de

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