Athen und Brüssel machen auf gut Wetter

Brüssel · Nach monatelangem Streit verbreiten die griechische Regierung und die EU nun plötzlich Optimismus. Doch in Griechenland wächst der Widerstand gegen das Kreditprogramm.

Gestern noch mitten auf der Marathonstrecke - und nun plötzlich auf der Zielgeraden: Sowohl der griechische Regierungschef Alexis Tsipras als auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben gestern verkündet, die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern würden gut vorankommen. „Wir sind auf der Zielgeraden für eine Einigung mit den Institutionen“, sagte Tsipras gestern in Athen, und Juncker setzte in einem Interview mit der Agentur AFP einen Termin hinzu: „Alle Berichte, die ich erhalte, deuten auf eine Einigung in diesem Monat hin, vorzugsweise vor dem 20.“ Das Datum ist von Bedeutung, weil die griechische Regierung am 20. August der Europäischen Zentralbank rund 3,2 Milliarden Euro zurückzahlen muss.

Die plötzliche Zuversicht kommt etwas überraschend. Noch in der vergangenen Woche hatten Tsipras und die Geldgeber heftig darüber gestritten, unter welchen Bedingungen die Verhandlungen überhaupt aufgenommen und fortgeführt würden. Bei jeder Gelegenheit hatte Athen Widerstand geleistet, etwa bei der Wahl des Hotels für die Gesandten der Geldgeber oder bei der Frage nach deren Einsichtsrechten in den Ministerien.

Nun aber scheint es, als ob die Unterhändler in der Tat Fortschritte erreichten. Am Montag erzielten sie bei der Rentenreform einen Kompromiss, wonach diese nur Rentner betrifft, welche nach Juli in den Ruhestand treten. Am Dienstag standen die Privatisierung von Staatseigentum und der Kapitalbedarf der Banken zur Diskussion, worauf sich Finanzminister Euklid Tsakalatos zufrieden gab über den Verlauf der Gespräche.

Die schnellen Fortschritte sind möglicherweise auch ein Hinweis darauf, wie schlecht es um die grossen griechischen Banken bestellt ist. Ihre Titel verloren am Mittwoch am dritten Tag in Folge deutlich an Wert, jene der Piraeus Bank und der Alpha Bank fast einen Drittel. Sie werden erst frisches Kapital erhalten, wenn eine Vereinbarung über das neue Kreditprogramm gefunden ist. Besonders wird derzeit darüber spekuliert, ob Sparkunden dieser Banken einen Teil ihrer Guthaben bei einem sogenannten Bail-in verlieren würden.

Der demonstrative Optimismus könnte aber auch damit zu erklären sein, dass Juncker Tsipras den Rücken für die internen Auseinandersetzungen stärkt. Tsipras versucht derzeit mit allen Mitteln, seinen parteiinternen Gegnern den Wind aus dem Segel zu nehmen. Die Kritik aus dem linken Flügel der Partei Syriza an ihrem Präsidenten Tispras reisst indes nicht ab, und gestern räumte Regierungssprecherin Olva Gervasili ein: „Wahlen im Herbst sind wahrscheinlich.“ Denkbar ist, dass Tsipras mit der Drohung von Neuwahlen seine parteiinternen Rivalen zum Gehorsam zwingen will.

Darauf deutet Gerovasilis Aussage hin, wonach die Frage der Neuwahlen „hauptsächlich“ davon abhänge, „wie stabil die Regierung in der kommenden Zeit sein wird“. Stehen wirklich Neuwahlen an, könnte Tsipras seine Kritiker theoretisch stummschalten, weil er die Listenplätze in seiner Partei eigenhändig vergeben kann. Doch dürften seine Gegner dann Syriza verlassen und mit einer neuen Gruppe antreten. Und bisher hat Tsipras alles daran gesetzt, die von ihm selbst zusammengeschmiedete Partei vor dem Zerfall zu bewahren.

Finden Athen und die Geldgeber keine Einigung vor dem 20. August, wird die EU wohl oder übel einen zweiten Übergangskredit gewähren müssen. Die rechtlichen Grundlagen dafür hat sie diese Woche geschaffen: Das Geld kommt wie die erste Tranche aus dem gesamteuropäischen Topf EFSM. Doch haben die EU-Länder beschlossen, dass nur die Euro-Länder dafür gerade stehen müssen, falls Griechenland die Übergangskredite nicht zurückzahlen kann.

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