Auch USA schützen die Verbraucher

Washington · In den USA gibt es auch einen funktionierenden Verbraucherschutz. Die Standards dafür unterscheiden sich aber von denen in Europa. Doch deswegen sind Lebensmittel, Autos oder Spielzeuge in Amerika nicht unsicherer als bei uns.

Washington. Wer in Amerika Auto fährt, wird nicht behaupten, dass er sich unangemessenen Gefahren aussetzt. Mal ganz abgesehen davon, dass der Verkehr auf der Interstate mit maximal 113 Stundenkilometern dahinrollt, mit Ausnahme von Texas und ein paar westlichen Bundesstaaten, wo 120 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit erlaubt sind. Die Sicherheitsstandards, die ein Fahrzeug erfüllen muss, sind nicht schlechter als in Europa, auch wenn es hier und da ein paar kleine Unterschiede gibt.
Rote Blinker erlaubt


Der Teufel steckt im Detail. Die Blinker zum Beispiel müssen nicht unbedingt orange sein, auch rot ist gestattet. Die Scheibenwischer haben, warum auch immer, einen größeren Bereich der Frontscheibe abzudecken. Die Airbags sind ebenfalls größer, weil amerikanische Behörden eine laxere Disziplin zugrunde legen und nicht unbedingt davon ausgehen, dass jemand angeschnallt ist. Was wiederum zur Folge hat, dass das Armaturenbrett opulenter konstruiert ist. Nicht zuletzt weichen auch die Crashtests voneinander ab. Während die Autos mit den Dummies in Europa frontal auf eine Mauer prallen, fahren sie es in den USA, in aller Regel mit einer nicht angegurteten Testpuppe, in einem leicht schrägen Winkel dagegen.
Unterm Strich, sagt Wade Newton, Sprecher des Branchenverbands Alliance of Automobile Manufacturers, sei das Sicherheitsniveau hüben wie drüben etwa das gleiche. Nur erhöhten die vielen Besonderheiten, auf die man achten müsse, die Produktionskosten, was für den Kunden um ein Viertel höhere Preise bedeute. Er kenne keinen Autobauer, so Newton, der nicht am liebsten schon heute einheitliche europäisch-amerikanische Normen einführen würde.
Es ändert nichts daran, dass eine Mehrheit der Konsumenten die Dinge anders sieht. Sowohl Amerikaner als auch Deutsche glauben, dass die eigenen Regeln denen der anderen Seite überlegen sind. Wie das in Washington angesiedelte Pew-Institut bei Umfragen herausfand, vertrauen 55 Prozent der US-Kunden beim Auto eher den eigenen Sicherheitsvorschriften, nur 33 Prozent den europäischen. Bei Lebensmittel-Bestimmungen sind es sogar 67 Prozent, die dem nationalen Kontrollregime den Vorzug geben. Und das trotz genmanipulierter Nahrungsmittel und der Chlorhühnchen, die in Europa für solchen Wirbel sorgen.
In den Vereinigten Staaten hält sich die Aufregung in Grenzen. Dass die Hühnchen in einer Lauge aus Chlor baden, hat mit der Angst vor Salmonellen und anderen Krankheitskeimen zu tun, die zwischen Miami und Seattle deutlich ausgeprägter ist als zwischen Nordkap und Sizilien. Auch die Richtwerte für Blei im Kinderspielzeug sind strenger als in der EU, ebenso wie die Auflagen gegen Listerien-Bakterien im Käse. Auch bei Fruchtsäften achtet man strenger darauf, dass bestimmte Grenzwerte in Sachen Pestizide nicht überschritten werden. In Deutschland ist die Abneigung gegen Wachstumshormone in der Rinderzucht groß. Auch in den USA wird das von Consumer Reports (CR), der wichtigsten Verbraucherschutz-Organisation, durchaus kritisch gesehen. Zugleich tadelt CR die Europäische Union für die zögerliche Art, mit der sie einschritt, als sich BSE, der Rinderwahnsinn, auszubreiten begann.
In einem Satz, Amerika ist gewiss keine Verbraucherschutzwüste, der Verbraucherschutz ist in wichtigen Punkten nur anders organisiert. Im Vergleich zur europäischen Praxis fallen Gerichtsprozesse weitaus stärker ins Gewicht. Verstößt ein Unternehmen gegen die Regeln, riskiert es teure Klagen auf Schadensersatz.

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