Auf dem Stahl gründet Luxemburgs Wohlstand

Luxemburg · Ein Jahrhundert Eisen- und Stahl-Industrie in Luxemburg: Das ist nicht nur die Geschichte des Unternehmens Arbed hin zum weltweit agierenden Giganten ArcelorMittal. Das ist auch ein über hundert Jahre lang dauernder Wandel des Großherzogtums vom armen Bauernstaat hin zur reichen Dienstleistungsgesellschaft. Redakteurin Sabine Schwadorf hat mit dem Luxemburger ArcelorMittal-Chef Christian Zeyen gesprochen.

1. Luxemburgs Eisen- und Stahl-Industrie wird 100 Jahre alt. Wie groß ist heute noch die Bedeutung der Branche im Land?

Die Stahlindustrie hat eine große Bedeutung, denn abgesehen von einer sehr langen gemeinsamen Geschichte und Entwicklung des Landes mit der Stahlindustrie wurde der weltweite Unternehmenssitz von ArcelorMittal nach der Fusion von Arcelor und Mittal Steel 2006 in Luxemburg angesiedelt. Große Teile der Verwaltung befinden sich in Luxemburg-Stadt, während die Verwaltung für den gesamten europäischen Langstahlsektor in Esch-Alzette ist. Wir haben in Luxemburg insgesamt 14 Standorte: Neben der Administration gehören dazu mehrere Werke mit Produktion im Lang- und Flachstahlbereich, aber auch Logistik- und Distributionsstandorte. Die Produktpalette reicht von großen Trägern aus Differdingen, die weltweit beim Bau von Wolkenkratzern eingesetzt werden wie dem One World Trade Center in New York oder dem Burj Khalifa in Dubai, dem zur Zeit höchsten Gebäude der Welt. Spundwände aus Esch-Belval werden in Venedig zum Hochwasserschutz verwendet wie auch beim Bau von Hafenanlagen. Verschiedene Baustahlprodukte aus Rodange und Schifflange gehören ebenso zur Produktpalette wie auch Weinbergsdraht aus Bissen - um nur einige zu nennen.

2. Welches sind die größten Herausforderungen für Ihre Branche?

Entscheidend ist, dass wir in Luxemburg Produkte herstellen, die qualitativ hochwertig und innovativ sind und damit attraktiv gegenüber Ländern bleiben, in denen die Produktion billiger ist als bei uns. Das bringt uns einen wichtigen Vorteil im Vergleich mit anderen Standorten. Das ArcelorMittal-Forschungszentrum in Esch trägt zum Beispiel in starkem Maße dazu bei, dass wir hier weiter Stahl mit hoher Wertschöpfung produzieren können. Damit stellen wir sicher, dass Stahl "made in Luxembourg" auch in Zukunft ein Gütesiegel bleibt, auf das sich unsere Kunden in der ganzen Welt verlassen können. Innovative Produkte wie hochfeste Stähle für Autos und Spezialträger für den Hochhausbau tragen maßgeblich zu einer Zukunft von Stahl in Luxemburg bei. Überdies ist es besonders im Bausektor wichtig für uns, wettbewerbsfähig mit einfachen Produkten zu bleiben, damit sie eine hohe Produktivität bei niedrigen Kosten ermöglichen. Dies stellt sicher, dass wir uns der jeweiligen Marktsituation anpassen können.

3. Luxemburg ist zwar der Verwaltungssitz von ArcelorMittal. Kann ein Produktions-Standort Luxemburg angesichts von hohen Lohn-, Sozial- und Energiekosten überhaupt mit anderen Standorten mithalten?

Dank innovativer Produkte wie Spundwänden und großen Trägern haben wir gute Argumente für den Industriestandort Luxemburg. Diesen Vorsprung müssen wir erhalten und ausbauen. Indem wir neue Produkte entwickeln, die den Kunden erlauben weniger, dafür aber belastbareren Stahl einzusetzen. Während die Sozialkosten in Luxemburg eher niedrig sind, können wir hohe Lohnkosten nur durch mehr Produktivität und Produkte mit hohem Mehrwert ausgleichen. Bei einfachen Baustahlprodukten, die wir in Rodange und Schifflange herstellen, stehen wir deshalb vor besonders starken Herausforderungen. Die hohen Energiekosten sind ein anderes Thema. Den Strom beziehen wir aus dem Ausland, wofür wir eine CO2-Abgabe bezahlen, die wir nicht an unsere Kunden weitergeben können. Wir sind nicht gegen die Reduzierung der CO2-Emissionen. Das heutige System führt aber dazu, dass die europäische Industrie weniger konkurenzfähig wird, währen Staaten außerhalb der EU nicht an die gleichen Regeln gebunden sind. Am weltweiten Klima ändert das nichts.

4. Es gibt Gerüchte über weitere Standortschließungen im Großherzogtum. Welches Werk wird zuerst geschlossen?

Wir bewegen uns derzeit in einem schwierigen Marktumfeld, wo wir gefordert sind, uns den produktspezifischen Nachfrageschwankungen anzupassen.

5. Wie lange wird es noch eine Produktion in der Luxemburger Eisen- und Stahlindustrie geben?

Wir feiern 2011 ein Jahrhundert erfolgreicher Stahlproduktion in Luxemburg. Arbed früher und ArcelorMittal heute hat einen guten Teil zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Wir sind mit rund 6000 Angestellten im Großherzogtum der größte private Arbeitgeber. Luxemburg ist durch die Stahlindustrie in der Welt bekannt geworden. Und so wie wir uns in der Vergangenheit an die Marktbedingungen und das wirtschaftliche Umfeld angepasst haben, werden wir es auch in Zukunft tun. Daher bin ich überzeugt, dass wir auch in 100 Jahren noch Stahlproduktion in Luxemburg haben werden.

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