Auf halbem Weg

TRIER. Das Neujahrstreffen der Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU) ist ein Gradmesser für die Stimmung der regionalen Wirtschaft. Selten hatten so viele Mitglieder an der traditionellen Veranstaltung teilgenommen. Ein gutes oder schlechtes Zeichen für die heimische Wirtschaft? Der VTU-Vorsitzende Hanns Rendenbach ist sich dessen noch nicht sicher: Trotz guter Ansätze müsse noch viel auf den Weg gebracht werden.

War es das verführerische Buffet in der Europahalle Trier, Gastredner Professor Hermann Simon (Simon, Kucher & Partners), das 25-jährige Dienstjubiläum von Geschäftsführer Ingo Becker oder die Gelegenheit, mit so vielen Unternehmern, Politikern und Verwaltungs-Chefs ins Gespräch zu kommen? Der VTU-Neujahrsempfang platzte diesmal fast aus allen Nähten. Neben den geselligen Aspekten stand aber zuerst die wirtschaftspolitische Auseinandersetzung auf dem Programm."Reformen reichen noch nicht aus"

Hanns Rendenbach sieht als Optimist ganz zuversichtlich auf das kommende Jahr, doch gleichzeitig "muss ich als Realist mahnen, die Reformen reichen noch lange nicht aus". Es sei schade, wenn die Politik wieder auf halber Strecke stehen bleibe, und genau dies sei angesichts des Wahltermins im kommenden Jahr zu erwarten. In der Krankenversicherung, auf dem Arbeitsmarkt oder in der Rente seien die Reformen in Deutschland keineswegs ausreichend. Ministerpräsident Kurt Beck, seit vielen Jahren Stammgast bei der VTU, sieht indes die Reformanstrengungen in einem anderen Licht. Man habe viel erreicht, und man dürfe nun die kommenden Schritte nicht machen, ohne die Menschen mitzunehmen. "So richtig es ist, nicht anzuhalten, so wichtig ist es auch, dass die Menschen die Schritte erfahren können." Eine Reform wie Hartz IV müsse man auch wirken lassen. Festredner Hermann Simon hat als Chef der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners freilich ganz andere Ansichten, wie Deutschland die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bestehen kann. Seine provokanten Thesen bieten auch weit über den Abend hinaus Diskussions-Stoff."Politiker-Diäten nach Berufs-Verdienst"

Ob in Sachen Zuwanderung ("Wir brauchen eine Million handverlesene junge Leute pro Jahr"), in Sachen Politiker-Diäten ("Jeder Politiker sollte das Gehalt bekommen, das er in seinem Beruf bekommt, dann gebe es weniger Beamte im Bundestag") oder in Sachen Wirtschaft ("Die deutschen Unternehmen verdienen im internationalen Vergleich zu wenig und sind billige Übernahmekandidaten") - Simon hat klare Worte und klare Forderungen. Die Globalisierung biete vor allem dem Mittelstand glänzende Perspektiven, doch er müsse sich auch international aufstellen. Deutschland habe wie ganz Westeuropa einen entscheidenden Standortvorteil: "Wir sind von transatlantischen oder asiatischen Zukunftsmärkten nicht weiter als zwölf Flugstunden entfernt. Die Zeitzonen sind günstig und wir haben die beste Infrastruktur der Welt." Doch bei der Nachwuchsförderung und -rekrutierung liege Deutschland am Ende der Industrienationen, Unternehmen und Politik würden sich nicht konsequent darauf einstellen. Die so genannten "Hidden Champions", deutsche Mittelständler, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind, zeigten nach Ansicht von Simon unbegrenzte Möglichkeiten auf. Nur wer sich konsequent auf seine Stärken konzentriere und die Globalisierung annehme, könne erfolgreich das 21. Jahrhundert bestehen. Das gelte für Deutschland und seine Unternehmen. Ob sich allerdings ein Land wie ein Unternehmen managen lässt, darüber wurde auch unter den Gästen viel diskutiert.

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