"Ausweichrouten gibt es immer"

Die deutsche Luftfahrtbranche ächzt und stöhnt. Der Wettbewerb, die Kosten und jetzt auch noch die Gefahren durch Kriege. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff fragte den Präsidenten des Bundesverbandes der Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, nach den Gründen für die schwierige Lage und den Sorgen vor einem möglichen russischen Überflugverbot.

Die deutschen Fluggesellschaften scheinen derzeit selbst nicht gerade "Siegerflieger" zu sein. Lufthansa meldet Gewinneinbrüche, Airberlin anhaltende Verluste. Lohnt sich Fliegen nicht mehr?
Siegloch: Wir haben eine extrem harte internationale Konkurrenz, und es gibt Marktteilnehmer, die mit massiver staatlicher Unterstützung arbeiten. Niemand wacht darüber. Das führt zu einem unfairen, verzerrten Wettbewerb. Gleichzeitig legt uns die heimische Politik Zügel an.
Was sind denn die hausgemachten Gründe, die den Airlines das Leben schwer machen?
Siegloch: Das Schwierigste für uns ist die nur in Deutschland geltende Luftverkehrssteuer, die die Airlines eine Milliarde Euro im Jahr kostet und nach unserer Auffassung gegen internationale Abkommen verstößt. Das Zweite ist, dass nur im europäischen Luftverkehr Emissionshandelszertifikate gefordert werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Ebenfalls von der Politik gesteuert ist die Beschränkung der Betriebszeiten der Flughäfen. Deutschland hat die meisten Nachtflugverbote. Das alles addiert sich zu einem großen Problem.
Das alles haben Sie auch schon in der letzten Legislaturperiode thematisiert. Ist aus Ihrer Sicht die große Koalition auch nicht besser?
Siegloch: Immerhin steht im Koalitionsvertrag, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrt in Deutschland erhalten und ausbauen will. Und dass man alle Belastungen auf ihre Auswirkungen überprüfen will. Diesen Worten müssen jetzt auch Taten folgen. Die Luftverkehrssteuer ist eine Belastung, die sich besonders negativ auswirkt. Ich gehe davon aus, dass wir in dieser Legislaturperiode hier noch zu einer Veränderung kommen.
Keine Branche ist so international wie die Luftfahrt. Wirken sich die zahlreichen kriegerischen Konflikte schon jetzt negativ auf die Airlines aus?
Siegloch: Ja, ganz eindeutig. So ist die Zahl der Buchungen nach Moskau und Sankt Petersburg stark zurückgegangen. Das Gleiche gilt für Reisen nach Israel und in den Nahen Osten, inklusive Ägypten.
Der Abschuss von MH17 macht vielen Passagieren Angst. Derzeit entscheiden die Länder selbst über die Sperrung ihres Luftraums und die Airlines, ob sie fliegen. Wäre es nicht besser, eine unabhängige Instanz über Flugrouten entscheiden zu lassen?
Siegloch: Wir wünschen uns vor allem, dass die Airlines alle Sicherheitserkenntnisse erhalten, die es gibt. Das ist bisher nicht der Fall. Bei der Ost-Ukraine gab es keinerlei Hinweis, dass es hier eine Gefährdung geben könnte, und man muss sich fragen, wer wann gewusst hat, dass die Rebellen dort über Boden-Luftraketen langer Reichweite verfügen. Das Luftfahrtbundesamt kann deutschen Airlines das Überfliegen bestimmter Gebiete untersagen. Das wurde im Fall Libyen früher auch schon einmal praktiziert. Nur: Auch das Luftfahrtbundesamt braucht dafür alle Erkenntnisse, die es gibt.
Wie hart würde ein russisches Überflugverbot als Reaktion auf EU-Sanktionen die deutschen Airlines treffen?
Siegloch: Es ist Spekulation, ob die russische Regierung zu diesem Mittel greifen wird. Bisher hat sie es nicht getan. Natürlich gibt es eine große Zahl von Überflügen deutscher und europäischer Luftfahrtgesellschaften über Sibirien nach Asien.
Gäbe es dann überhaupt noch sichere Ausweichrouten, nachdem im Irak, in Syrien und in Afghanistan auch Krieg herrscht?
Siegloch: Ausweichrouten wird es immer geben. Aber es könnte dort dann sehr eng werden. Und außerdem sind das große Umwege und höhere Kosten. wk

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