Beim Stahlwerk warten alle auf den Investor

Trier/Tauberbischofsheim · Seit acht Wochen glimmt beim insolventen Trierer Stahlwerk die Hoffnung auf einen Neustart. Das Bundeskartellamt hat damals der baden-württembergischen Mafi Irion GmbH die Übernahme des Stahlwerks erlaubt. Jetzt scheint der Verkauf offenbar über die Bühne zu gehen.

Trier/Tauberbischofsheim. Knapp 20 Mitarbeiter halten im Trierer Stahlwerk (TSW) derzeit noch Stallwache. Der Wachdienst, wenige Verwaltungskräfte und der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Rudi Heinz gehören zu der Mannschaft. Doch gestern Mittag gab es ziemlich viel zu tun. "Mich rufen die ganze Zeit alte Kollegen an, die wissen wollen, ob es nun weitergeht", sagt Heinz dem Volksfreund. Einige sind auch gleich ins Stahlwerk gefahren, um die neue Lage zu besprechen. Nach einem SWR-Bericht hat der Insolvenzverwalter das Stahlwerk an eine Tochter des Badischen Stahlwerks, die Mafi Irion GmbH, verkauft. Das wurde möglich, nachdem der Gläubiger-Ausschuss nach TV-Informationen in der vergangenen Woche dem Deal zugestimmt hatte. Als Vertreter sind dort unter anderem das Finanzamt und die Arbeitsagentur Trier, die Gewerkschaft IG Metall, die IKB Deutsche Industriebank und der Westfälische Walzdrahthandel (WWH) vertreten.
Das badische Unternehmen hatte bereits im November vom Bundeskartellamt grünes Licht für eine Übernahme erhalten (der TV berichtete). Die in Tauberbischofsheim beheimatete Mafi Irion GmbH gehört zur Südweststahl AG in Eberbach, diese wiederum zum Konzern Südwest Beteiligungen. Im Aufsichtsrat der Holding sitzt mit Katja Seizinger die einst erfolgreichste deutsche Skiläuferin. Ihr Vater Heinz E. Seizinger ist ein bekannter Stahlunternehmer. Seizinger hat sich beispielsweise bereits in den 80er Jahren am Badischen Stahlwerk beteiligt.
Wie sieht die Zukunft aus?


Wie es im Trierer Stahlwerk aber weitergeht, ist noch vollkommen ungewiss. Weder der neue Besitzer noch der Dortmunder Insolvenzverwalter Christoph Schulte-Kaubrügger äußerten sich dazu auf Nachfrage. Das Büro des Insolvenzverwalters wollte sich gestern gar nicht äußern, kündigte aber "noch für diese Woche eine Mitteilung an".
Im Antrag an das Bundeskartellamt hat der Investor als Produktzweig "Walzwerk" angegeben. Dies könnte bedeuten, dass der mögliche neue Besitzer zunächst nur das Walzwerk anfährt. Im Drei-Schicht-Betrieb haben dort früher rund 90 Mitarbeiter gearbeitet, würde die Produktion nur langsam anfahren, wären es sogar allenfalls 30 bis 40. Doch mit solchen Spekulationen möchte sich der ehemalige Betriebsratsvorsitzende (noch) nicht beschäftigen. "Wir wissen gar nicht, ob und wie es hier weitergeht. Ist das Werk verkauft, wird sich ja wohl demnächst der neue Besitzer vorstellen", sagt Heinz. Der IG-Metall-Chef für die Region Trier, Roland Wölfl, geht bei einer Übernahme davon aus, dass das Walzwerk wieder schnell anlaufen könnte. Vor allem, weil das Badische Stahlwerk seinen Stahl bei Saarstahl in Völklingen walzen lässt. In Spitzenzeiten haben mehr als 300 Menschen beim Trierer Stahlwerk Arbeit gefunden. Nachdem das TSW innerhalb von zehn Jahren im November 2011 zum zweiten Mal einen Insolvenzantrag stellen musste, ging im Mai 2012 endgültig der Stahlofen aus (siehe Chronologie). Viele der ehemaligen Mitarbeiter sind heute noch arbeitslos. Allein in der Region Trier warten noch etwa 150 ehemalige Stahlwerk-Mitarbeiter, ob es beim TSW wieder weitergeht. Aber auch viele ehemalige Mitarbeiter aus dem Saarland haben noch keinen neuen Job gefunden. In Trier wartet nun alles auf den Investor.
Extra

1971 gründen Alfred und Walter Rass im Trierer Hafen das Moselstahlwerk. Das Werk beschäftigt 150 Mitarbeiter und die Walzdrahtkapazität beträgt 380 000 Jahrestonnen Baustahl. 1996 schlägt die Krise am Bau auf die Auftragslage beim Moselstahlwerk durch: Etwa 60 der 280 Mitarbeiter müssen gehen. 2001 wird die Stranggießanlage durch einen Brand vollständig zerstört. Im Juli 2002 stellt Firmengründer Walter Rass für die Unternehmensgruppe einen Insolvenzantrag. Im September 2002 übernehmen die beiden Söhne von Walter Rass, Ulrich und Christoph Rass, das insolvente Stahlwerk und bauen es als Trierer Stahlwerk aus. 2006 bis 2007 werden 100 Millionen Euro in die technologische Modernisierung des Werks investiert. 2007 verkaufen die Rass-Brüder das Unternehmen an die westfälische Pampus-Gruppe. 2009 werden 120 Mitarbeiter in der Krise dank der Kurzarbeiterregel zur Industriefachkraft für Hüttentechnik weitergebildet. 2010 produzieren die 300 Mitarbeiter im Jahr über 500 000 Tonnen Walzdraht. November 2011 stellt die westfälische Pampus-Gruppe für das TSW einen Insolvenzantrag. Nach unbestätigten TV-Informationen soll es Verbindlichkeiten in Höhe von 150 Millionen Euro geben. Am 1. Februar 2012 wird das Insolvenzverfahren für das Stahlwerk beim Amtsgericht Dortmund eröffnet. Aufträge liegen noch bis Mitte Februar vor. Ende Mai: Die Produktion wird endgültig eingestellt. Die meisten der zuletzt 200 Mitarbeiter werden entlassen. Lediglich knapp 20 Beschäftigte bleiben zu Sicherung der Anlagen und ausstehenden Aufgaben. Mitte November 2012: Die Mafi Irion GmbH stellt beim Bundeskartellamt eine Anfrage auf Übernahme des TSW. Unter dem Aktenzeichen B5-140/12 wird als Produktmarkt "Walzdraht" genannt. Ende November: Das Bundeskartellamt erlaubt dem baden-württembergischen Investoren eine Übernahme des Trierer Stahlwerks. Mitte Januar 2013: Der Gläubiger-Ausschuss soll einem Verkauf des Unternehmens an die Mafi Irion zugestimmt haben. Februar 2013: Die Zukunft des TSW ist weiter offen. hw

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