Beim Trierer Walzwerk läuft die Zeit ab

Trier · Das Trierer Walzwerk blickt auf eine über 100-jährige Tradition in der Region. In Spitzenzeiten waren in dem Werk in Trier-Kürenz knapp 500 Mitarbeiter beschäftigt. Doch die Tage sind gezählt. Der Mutterkonzern plant, in den kommenden Jahren die Produktion schrittweise einzustellen. Betroffen sind 68 Mitarbeiter.

Trier. Wer eine Ein- oder Zwei-Euro-Münze in den Fingern dreht, hat damit oft auch ein Stück Industriegut aus Trier-Kürenz in den Händen. Das Innere der Münzen, die sogenannten Pillen, wurde vor Jahren im Walzwerk produziert und ging von der Mosel tonnenweise zu den Münzherstellern und von dort aus zu den Prägeanstalten. Doch die Zeiten haben sich geändert, nicht nur für den Euro.
In diesen Tagen wurde den knapp 70 Mitarbeitern mitgeteilt, dass die Produktion in Trier schrittweise eingestellt wird - zunächst, Mitte kommenden Jahres, eine Fertigungslinie. "Der Bereich der Kupferveredelung und andere strategische Produkte sollen jedoch in der Gruppe erhalten bleiben. Wir streben deshalb im Rahmen der Standortkonsolidierung einen Übergangszeitraum von zwei bis zweieinhalb Jahren an, in dem im Werk Trier noch produziert wird", erklärt Geschäftsführer Friedmar Schittko dem Trierischen Volksfreund auf Nachfrage. Die wirtschaftlichen Ergebnisse des Walzwerks hätten sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert. "Insbesondere der verschärfte globale Wettbewerb, die letzte Weltwirtschaftskrise sowie die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Südeuropa wirken sich nachhaltig negativ auf die Auslastung und Ertragslage des Trierer Walzwerkes aus", sagt der Geschäftsführer.
Interessensausgleich gesucht


Die Geschäftsführung bemüht sich nach eigenen Angaben um eine sozialverträgliche Lösung mit dem Betriebsrat und der IG Metall. "Wir stehen am Anfang der Gespräche", sagt Schittko. Nach TV-Informationen wären am Standort Trier in den kommenden Jahren millionenschwere Investitionen in Gebäude und Anlagen notwendig gewesen, um erfolgreich zu wirtschaften. "Die zu erwartenden Erträge stehen in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Kosten", erklärt Friedmar Schittko.
Bereits seit 1912 ist das Walzwerk in Kürenz beheimatet, zwischen Brühl-, Rosen- und Domänenstraße und dem Schienenstrang der Bahnlinie. Das Trierer Walzwerk ist spezialisiert auf elektrolytisch veredelte Kaltbänder aus Kupfer, Messing und Zink. Abnehmer sind die Automobil-, Elektro- und Computerindustrie sowie die Baubranche und auch Hersteller von Haushaltsprodukten.
Der IG-Metall-Chef in der Region Trier, Roland Wölfl, sieht die Entwicklung mit Skepsis: "Das ist für uns eine weitere Hiobsbotschaft."
In den kommenden Verhandlungen hofft der IG-Metall-Chef, dass man für die knapp 70 Mitarbeiter bei einem Sozialplan das Beste herausschlägt." Der Betriebsratsvorsitzende war gestern nicht zu erreichen.
Das Trierer Walzwerk gehört zur internationalen Tata Steel Europe (siehe Extra).Extra

Der Fabrikant August Kohlstadt gründete am 18. März 1900 zusammen mit dem Kaufmann Wilhelm Rautenstrauch und dem Bankier Adrian Reverchon die Trierer Walzwerk Aktiengesellschaft. Nach technischen Neuerungen war das Werk in der Güterstraße bereits 1912 an die Grenzen seiner Kapazitäten gestoßen. An der Brühlstraße, heute noch Sitz des Unternehmens, wurde Werk II errichtet, dessen Substanz weitgehend erhalten ist. 1921 erfolgte die Verbindung mit dem Stahlwerk Hoesch in Dortmund. Nach vielen Entwicklungen ging das Walzwerk 1982 an die Düsseldorfer Hille & Müller-Gruppe über, die ihrerseits seit 1997 zu 100 Prozent der niederländischen Firma Hoogovens NV gehört. Im Oktober 1999 fusionierte Hoogovens mit British Steel zum Corus-Konzern. Schon einige Jahre später, 2006, wurde Corus von Tata Steel geschluckt, und das Trierer Walzwerk kam wieder unter ein neues Dach. Der Konzern mit Stammsitz in Mumbai (Indien) beschäftigt weltweit 80 000 Mitarbeiter und produziert in 50 Ländern. hw