Billigflieger zahlt freiwillig

Fast vier Jahre lang streitet Billigflieger Ryanair vor Gericht mit einer Reisegruppe, deren Flug wegen Nebels gestrichen worden war. Ryanair hatte die Betreuung - Unterkunft, Transport, Verpflegung - bis zum nächsten erreichbaren Rückflug verweigert. Die Gruppe geht vor Gericht und gewinnt gleich zweimal.

 Gar nicht günstig für den Billigflieger endete der Rechtsstreit wegen eines ausgefallenen Fluges. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Gar nicht günstig für den Billigflieger endete der Rechtsstreit wegen eines ausgefallenen Fluges. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Trierweiler-Sirzenich/Simmern. "Ihr Flug wird aufgrund zu dichten Nebels gestrichen." Eine unangenehme Nachricht für jeden Flugreisenden. Wolfgang Döpke aus Trierweiler-Sirzenich im Kreis Trier-Saarburg und die elf Mitglieder seiner Reisegruppe hörten sie an einem Samstagmorgen im April 2006. "Der Rückflug vom spanischen Jerez nach Frankfurt/Hahn fällt aus", habe das Team am Ryanair-Schalter mitgeteilt.

Der Konflikt: "Als wir dann nach dem nächsten Rückflug fragten, sagte man uns, das ginge erst am Montag oder Dienstag", sagt Döpke im Gespräch mit dem TV. Er habe daraufhin gefragt, in welchem Hotel Ryanair die Fluggäste bis dahin unterbringen will. "Man antwortete mir ziemlich barsch, dass es ein solches Angebot bei Ryanair nicht gibt und wir besser mal die Geschäftsbedingungen genau lesen sollten."

Döpke und seine Mitreisenden buchten noch am selben Tag auf eigene Kosten einen Rückflug mit einer anderen Fluggesellschaft, landeten in Köln statt auf dem Hahn und gingen vor Gericht. So landete der Fall vor dem Amtsgericht Simmern. Es begann ein Rechtsstreit, der bis 2010 dauern sollte. Das Amtsgericht Simmern zog im ersten Schritt einen der zwölf identischen Fälle heraus. Ryanair berief sich auf die EU-Verordnung 261: "Gemäß Artikel sieben dieser EU-Verordnung bietet Ryanair keine finanzielle Entschädigung für Flüge, die aus von Ryanair nicht zu vertretenden Gründen verspätet sind oder annulliert werden", ist bis heute im Internet-Auftritt zu lesen. Auch Wetterbedingungen, so heißt es dort, können außergewöhnliche Umstände sein.

Das Urteil: Mit dieser Argumentation konnte Ryanair beim Amtsgericht Simmern nicht landen. Im Juli 2007 fiel das Urteil im ersten der zwölf Fälle: Die Fluggesellschaft wurde zu einer Ausgleichszahlung an den Kläger gemäß Artikel sieben in Höhe von 400 Euro verurteilt.

Außerdem sprach das Gericht dem Kläger weitere 316,78 Euro zu, resultierend aus dem nicht weniger wichtigen Artikel neun der EU-Verordnung 261, der die Betreuungsleistungen bis zum nächsten erreichbaren Rückflug regelt.

Die 400 Euro begründete das Amtsgericht mit dem Argument, Nebel sei kein grundsätzlich außergewöhnlicher Umstand, der die Fluggesellschaft von der Schadenersatzpflicht befreit. Eine Ersatzmaschine sei noch am selben Tag zumutbar gewesen. Die weiteren 316,78 Euro begründete das Gericht mit der Weigerung des Billigfliegers, eine Hotelunterkunft bis zum angekündigten Rückflug anzubieten.

Der Vergleich: Damit war einer der zwölf Fälle geregelt. Die übrigen elf wurden Ende Januar dieses Jahres vor dem Amtsgericht Simmern verhandelt. Warum nicht alle zwölf Fälle in einem Rutsch verhandelt worden sind, erklärt Karl Bender, Direktor des Amtsgerichts Simmern. "Wir haben damals noch auf eine maßgebliche Entscheidung des Oberlandesgerichts gewartet und deshalb zuerst einen der Fälle herausgegriffen und verhandelt."

Bevor ein Urteil gesprochen werden musste, bot die Fluggesellschaft einen Vergleich an: 400 Euro pauschal für jeden der elf Kläger und die Übernahme der gesamten Prozesskosten. "Die hatten wohl Angst vor einer weiteren Niederlage", vermutet Wolfgang Döpke.

Ryanair sagt dazu nichts. "Von unserer Seite gibt es keinen Kommentar", meldet Marketing-Managerin Henrike Schmidt aus Dublin.

Meinung

Frecher Versuch klar gescheitert

Ryanairs frecher Versuch, die Rechtslage zum eigenen Vorteil umzudeuten, endete mit einer hohen Rechnung. Dabei ist die Lage klar geregelt. Es spielt keine Rolle, ob die Fluggesellschaft Ryanair oder Lufthansa heißt: Wenn sie einen Flug annulliert, muss sie dafür gerüstet sein, mögliche Ansprüche ihrer Kunden zu erfüllen. Seit dem 17. Februar 2005 ist die EU-Verordnung 261/2004 in Kraft. Sie stärkt die Rechte des Fluggastes wesentlich. Erstattungen, Entschädigungen, Betreuungsleistungen wie Snacks, Getränke, Telefongespräche, Faxe oder E-Mails sind ebenso klar definiert wie notwendige Übernachtungen in Hotels und der Transport dorthin. Ryanair hat 2006 in Jerez und später vor Gericht einfach abgestritten, zu solchen Leistungen verpflichtet zu sein. Das Motto: Mal sehen, vielleicht kommen wir ja damit durch. Die EU-Verordnung ist offenbar Pflichtgepäck im Rucksack jedes Fluggastes von Ryanair. j.pistorius@volksfreund.de

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