Wirtschaft Boom mit leichten Eintrübungen

Berlin · Konjunkturforscher warnen trotz Daueraufschwungs vor Sorglosigkeit.

 Die Sonne geht am Hamburger Hafen hinter Kränen zur Containerverladung unter. Der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland hält an. Die führenden Forschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses und nächstes Jahr leicht angehoben.

Die Sonne geht am Hamburger Hafen hinter Kränen zur Containerverladung unter. Der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland hält an. Die führenden Forschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses und nächstes Jahr leicht angehoben.

Foto: dpa/Axel Heimken

Der Wirtschaftsboom in Deutschland hält an. Allerdings stößt er auch immer mehr an Grenzen. Zu diesem Urteil kommen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem aktuellen Frühjahresgutachten. Die darin enthaltenen Prognosen sind Grundlage für die Haushaltsaufstellung bei Bund, Ländern und Kommunen.

„Die Luft wird dünner“, und die Kapazitäten würden „knapper“, meinte der Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser vom Münchner Ifo-Institut bei der Vorstellung der Expertise am Donnerstag in Berlin. Sorgen bereiten den Ökonomen ein drohender internationaler Handelskrieg sowie der Fachkräftemangel in vielen Unternehmen. Nachfolgend die wichtigsten Kennziffern ihres Gutachtens:


WACHSTUM Die Experten rechnen für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 2,2 Prozent. Für 2019 wird ein Plus von zwei Prozent erwartet. Damit korrigieren die Forscher ihre letzte Prognose vom vergangenen Herbst um jeweils 0,2 Prozentpunkte leicht nach oben. Der Optimismus resultiert vor allem aus den vollen Auftragsbüchern vieler Firmen und den spürbaren Lohnanhebungen für große Teile der Beschäftigten. Zugleich räumen die Wirtschaftsforscher ein, die konjunkturelle Dynamik in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres unterschätzt zu haben.


ARBEITSMARKT Der Beschäftigungsboom hält weiter an. Für das laufende Jahr rechnen die Experten mit einem Zuwachs auf rund 44,9 Millionen Erwerbspersonen. Das sind gut eine halbe Million mehr als 2017. Im kommenden Jahr sollen rund 420 000 weitere Stellen entstehen. Die Arbeitslosenquote sinkt dann auf 4,8 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 betrug sie noch 6,1 Prozent. Da es Unternehmen inzwischen schwer falle, offene Stellen zu besetzen, „schwächt sich der Beschäftigungsaufbau ab“, so das Fazit der Experten.


LÖHNE und GEHÄLTER Schon wegen der Knappheit an geeigneten Arbeitskräften gehen die Ökonomen weiter von spürbar steigenden Bruttolöhnen aus. Erwartet wird ein Zuwachs der Verdienste um rund drei Prozent. Allerdings steigt auch die Inflation im kommenden Jahr auf 1,9 Prozent. Unter dem Strich ergibt sich aber dennoch ein deutliches Kaufkraftplus, zumal politische Vorhaben von Union und SPD wie die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung und weitere Rentenverbesserungen für zusätzliche Spielräume sorgen würden.


RISIKEN Die Forscher sehen bei ihrer Prognose „erhebliche Risiken“. Hier dominiert in erster Linie die Furcht vor möglichen Einbrüchen beim Export. So sorgt der von den USA angezettelte Handelskonflikt schon jetzt für Verunsicherung, was die Investitionsbereitschaft der Unternehmen mindern könnte. Sollte es entgegen der Prognose zu einer breiten Erhebung von Strafzöllen kommen, „so würde dies die deutsche Wirtschaft spürbar beeinträchtigen“, heißt es im Gutachten. Zudem deuten Indikatoren wie der spürbare Kursverfall deutscher Aktien seit Jahresbeginn auf rückläufige Zuwachsraten der Produktion hin. Insgesamt halten die Forscher die Gefahr einer stärkeren wirtschaftlichen Abkühlung aber für unwahrscheinlich.


KRITIK
Die Ökonomen fürchten, dass der anhaltende Boom die Bundesregierung zu Fehlentscheidungen verleiten könnte. Beispielsweise gebe die Rentenpolitik „Anlass zur Besorgnis“, heißt es in der Analyse. So sei es kaum vorstellbar, dass sich die versprochenen Verbesserungen etwa bei geringen Altersbezügen und der Mütterrente ohne eine substanzielle Anhebung des Renteneintrittsalters oder substanzielle Steuererhöhungen finanzieren lasse. Zugleich müsse die Regierung mehr hochqualifizierte Ausländer ins Land holen und überhaupt für eine bessere Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt sorgen, mahnen die Forscher.

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