Bringt Amerikas Krise Europa ins Schwanken?

Frankfurt/Brüssel · Europas Schuldensünder stehen seit Monaten am Pranger — nun rücken die USA in den Fokus, weil die Ratingagentur S&P die Kreditwürdigkeit der Wirtschaftsmacht in Zweifel zieht. Der Druck auf die Euroländer bleibt — und die Ansteckungsgefahr ist hoch.

Griechenland droht ein Schuldenschnitt, Irland und Portugal brauchen Milliardenhilfen, und die Gefahr eines Domino-Effekts in der Eurozone ist längst nicht gebannt. Die Staatsschuldenkrise hält Europa in Atem, und nun geraten auch noch die USA ins Schwanken. Dass die USA den Status als sicherer Schuldner einbüßen könnten, hat die Finanzmärkte schockiert. "Wenn selbst die USA nicht mehr sicher sind, fragen sich Investoren: Welches Land ist denn jetzt überhaupt noch sicher?", sagt Volkswirt Daniel Gros, der die Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies leitet. Noch glaubt niemand ernsthaft, dass die weltgrößte Volkswirtschaft Finanzierungsprobleme bekommen könnte. Aber die Märkte sind extrem nervös. "Wenn der Markt etwas möchte, erzwingt er das", sagt Unicredit-Analyst Andreas Rees. Das hätten die vergangenen Monate gezeigt.

Doch EU-Diplomaten sehen keinen Anlass zur Panik: Man dürfe die Fähigkeiten Brüssels nicht unterschätzen. "Die USA werden nicht wackeln, weil sie eine lange Tradition und ein funktionierendes politisches System haben", sagt Volkswirt Guntram Wolff vom Brüsseler Wirtschaftsforschungsinstitut Bruegel. "Europa wird nicht wackeln, weil Europa politische Lösungen finden wird." Auf rationale Märkte hofft zwar auch Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Sicher ist dies aber nicht, denn das Geld lockt", sagte er. Eine Herabstufung setze oft eine Verkaufswelle für die Anleihen des Staats in Gang. Gewinner sei nur, wer Kreditausfallversicherungen (CDS) für US-Anleihen im Angebot habe. Hingegen müssen Staaten für frisches Geld höhere Zinsen bezahlen. "Gewinner dürften wohl Bundesanleihen sein", sagt Rees.

Holger Schmieding von der Berenberg-Bank ist zudem überzeugt, dass die US-Notenbank eine straffere amerikanische Fiskalpolitik mit extrem billigem Geld unterstützen würde - auch auf Kosten einer höheren Inflation. In Europa wurde die Zinswende bereits eingeläutet, in den USA werde man sich noch Monate Zeit lassen: Das stärkt den Euro, schwächt aber die hiesige Exportwirtschaft.

Den mächtigen Ratingagenturen war zuletzt eine Mitschuld für die Zuspitzung der Staatsschuldenkrise in Europa gegeben worden. Nun droht Standard & Poor's auch über die Kreditwürdigkeit der USA den Daumen zu senken.

Das könnte die Lage in Europa etwas entschärfen, glaubt Rees: "Zuletzt hatten die Investoren sehr einäugig europäische Länder im Visier, jetzt kommen auch die USA in den Fokus."

EXTRA

BONITäT



Die Bonität beschreibt die Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit eines Schuldners. Sie sagt aus, wie gut Staaten, Personen oder Unternehmen aufgenommene Schulden zurückzahlen können und zurückzahlen wollen. Internationale Ratingagenturen wie Standard & Poor's, Moody's oder Fitch überprüfen regelmäßig die Bonität zahlreicher Schuldner. Nach Einstufung der Ratingagentur Standard & Poor's ist AAA die höchste Bonitätsklasse, D die niedrigste. red

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