Bushs Canossa-Gang zur Uno

Washington . Die Vereinigten Staaten von Amerika stecken in einer Zwickmühle: Mit Hochdruck arbeiten sie an einer neuen Irak-Resolution, die den Weg für ein stärkeres Engagement der Vereinten Nationen im Irak ebnen soll.

Noch im Verlauf des gestrigen Tages wollte US-Außenminister Colin Powell erste Verhandlungen mit den im UN-Sicherheitsrat vertretenen Nationen aufnehmen, um die Weichen für eine neue Irak-Resolution zu stellen. Mit dieser will US-Präsident George W. Bush in einem ungewöhnlichen Strategiewechsel den Weg für eine breitere multinationale Truppe zur Friedenssicherung ebnen, wobei man offenbar in Washington bereit ist, den Vereinten Nationen künftig ein größeres Mitspracherecht beim Wiederaufbau des Irak zu gewähren. Das Weiße Haus will aber, wie aus Regierungskreisen zu hören ist, in der Frage des militärischen Kommandos möglichst weiter die Oberhand behalten.Hoffnung auf Militär- und Finanzhilfen

Noch im Verlauf dieser Woche könnte ein erster Resolutionsentwurf in Umlauf gebacht werden, hieß es gestern. Diese diplomatische Initiative wird in den USA als deutliches Eingeständnis der Regierung dafür gewertet, dass die Personaldecke der amerikanischen Truppen angesichts der kritischen Sicherheitslage als viel zu dünn angesehen werden muss. Auch geht man im Weißen Haus mittlerweile davon aus, dass mit einem neuerlichen UN-Mandat nicht nur verstärkte Militär-, sondern auch Finanz- und Wirtschaftshilfen anderer Länder zum Wiederaufbau des Irak erreicht werden können. Im Gegenzug sollen andere Nationen ein klares Mitspracherecht unter anderem bei der Organisation von Wahlen im Irak erhalten. Bemerkenswert ist, dass die Entscheidung Bushs für eine größere Rolle der Uno ausgerechnet an einem Tag fiel, wo ein Bericht des Haushaltsbüros des US-Kongresses eine düstere Zukunft für das amerikanische Engagement in dem besetzten Land zeichnete. In dem Bericht heißt es, dass Washington die Truppenstärke im Irak spätestens im März kommenden Jahres von derzeit 150 000 auf nur noch 38 000 bis maximal 64 000 Soldaten verringern müsse, wolle man den Versprechen und Vorgaben des Pentagon an die Militärangehörigen folgen. Nach der derzeit gültigen Doktrin des Verteidigungsministeriums heißt es nämlich, dass US-Soldaten nach maximal einem Jahr an ihrem Einsatzort abgelöst werden müssen. Andere US-Kräfte sind derzeit allerdings in Afghanistan und Südkorea gebunden, und eine Verlängerung der Dienstzeiten erscheint aber politisch derzeit kaum durchsetzbar. Aus diesem Grund übergaben US-Militärsgestern auch die Kontrolle von Teilen des Zentralirak an polnisch geführte Verbände. Der demokratische Senator Robert Byrd hatte die jüngste Kongress-Studie, die auch von einer neuen Rekordverschuldung der Bush-Regierung in Höhe von 480 Milliarden Dollar im kommenden Jahr ausgeht, sogleich zu heftigen Verbalattacken auf das Weiße Haus genutzt. Bush strapaziere die Truppen im Irak bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit, so dass eine Ausweitung des internationalen Engagements unausweichlich sei. Die Reaktion der Regierung folgte dann offenbar nur Stunden später mit dem Auftrag an Außenminister Colin Powell, die Stimmung im Sicherheitsrat für eine multinationale Friedenstruppe unter dem politischen Schirm der Vereinten Nationen zu sondieren. Falls diese tatsächlich zustände käme, könnte - so das derzeitige Planspiel des Weißen Hauses - Washington die Mehrheit der eigenen Truppen dann innerhalb der nächsten 18 bis 24 Monate abziehen und den Vereinten Nationen die Friedenssicherung nach dem Vorbild des Kosovo oder Bosniens überlassen.

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