Clements Vorstoß ärgert Eichel

BERLIN. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Diskussion um die Senkung der Unternehmenssteuer entfacht.

"Es kommt auf die Unternehmensbesteuerung an!" heißt ein zentrales Kapitel im Jahresgutachten 2004/2005 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Eine Erkenntnis, die sich Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Sonntagabend im Fernsehen zueigen machte: "Wir sind nominell in der Unternehmensbesteuerung in Deutschland zu hoch geraten. Wir müssen umbauen", lautete der Satz, der in den Verbandszentralen der Bosse für freudige Aufregung sorgte. Angesichts fehlender Jobs, hoher Arbeitslosigkeit und einem gravierenden europäischen Steuerwettbewerb preschte Clement wieder einmal forsch nach vorn.Kompetenzgerangel in der Regierung

Abgesprochen war die Initiative anscheinend nicht, denn sein vorsichtiger Kabinettskollege Hans Eichel (SPD) trat gestern auf die Bremse - die Bundesregierung bräuchte die Hilfe der Union im Bundesrat, und die hält der Finanzminister derzeit für keinen "vernünftigen Gesprächspartner", wie er mitteilen ließ. Hinter diese Begründung steckt aber mehr: Der Hesse will sich nicht in steuerpolitischen Fragen von Clement vor vollendete Tatsachen stellen lassen. Der Minister pocht auf seine Kompetenzen. Wie Clement hat allerdings auch Eichel das Gutachten der fünf Weisen gelesen. Darin raten die Experten in der Steuerpolitik zwar zur Sorgfalt, sehen jedoch bei der Unternehmensbesteuerung dringend Handlungsbedarf. Denn bei den Belastungen nehme Deutschland eine internationale Spitzenposition ein, heißt es in dem Werk. Speziell für ausländische Investoren sei das Land in steuerlicher Hinsicht "unattraktiver als jeder andere Standort". Ein vernichtendes Urteil. Der Blick der Fachleute richtet sich diesbezüglich vor allem nach Osteuropa: Für Kapitalgesellschaften liegt die effektive Steuerbelastung in den neuen EU-Mitgliedsstaaten um 16 Prozent unter der Deutschlands, und auch die nominale Belastung vermittelt kein anderes Bild. Ein Umstand, den Unternehmen immer wieder gerne dazu nutzen, um der Politik mit Abwanderung zu drohen. Die fünf Weisen fordern daher eine deutliche Senkung der Unternehmenssteuern. Clement will sich insbesondere an der Abschaffung der unterschiedlichen Besteuerung von mittelständischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften orientieren, was die Experten ebenso vorschlagen. Darin sieht er sich mit Finanzminister Hans Eichel in einem Boot, wohl wissend, dass schwierige Verhandlungen mit Ländern und Kommunen in dieser Frage zu erwarten wären. Eichel wiederum will jetzt erst einmal innerhalb der Bundesregierung Gespräche führen und dann eventuell einen Zeitrahmen für eine Reform festzurren - was nach Verschiebung auf die lange Bank, sprich in die nächste Legislaturperiode, riecht. Auf den Köder einer verhandlungsbereiten Union, wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel erklärt hatte, will Eichel vorerst nicht noch einmal herein fallen. Die leidigen Erfahrungen aus den Debatten zum Subventionsabbau lassen den Hessen zurückschrecken.

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