Das Déjà-Vu der Griechenland-Krise

Trier · Mit einer kurzen Bemerkung versehen hat uns TV-Leser Helmut Schiffhauer aus Konz per E-Mail ein Dokument geschickt. "Noch Fragen?" schreibt er und verweist auf einen Artikel zur Griechenlandproblematik. Einen Artikel, der bereits am 2. November 1830 in der Allgemeinen Preußischen Staats Zeitung erschienen ist und dessen Inhalte man auch heute in den Zeitungen Europas wiederfinden kann.

 Uta Martin, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Trier, zeigt die Allgemeine Preußische Staatszeitung vom 2. November 1830. TV-Foto: Friedemann Vetter

Uta Martin, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Trier, zeigt die Allgemeine Preußische Staatszeitung vom 2. November 1830. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Die letzten Nachrichten aus Griechenland sind sehr niederschlagend. Die Zwietracht, dieser alte Hebel, schwingt wieder ihre Fackel unter den Griechen. Und die Parteien stehen sich drohend gegenüber … Der Mangel an Geld wird nachgerade sehr fühlbar, und die Regierung geräth in immer größere Verlegenheit.

"Zwietracht" unter den politischen Parteien? Ein "Mangel an Geld"? Sie glauben, liebe Leserinnen und Leser, diese Zeilen stammen aus einer Zeitung dieser Tage? Mitnichten. Schon vor gut 180 Jahren stand Griechenland vor einem großen Scherbenhaufen, politisch wie finanziell. In diesen Tagen im Herbst 2011 hatte Griechenlands Ministerpräsident Giorgios Papandreou einen (am Ende vergeblichen) Versuch gestartet, das griechische Volk zu befragen, ob es das Rettungspaket der EU-Staatengemeinschaft und damit weitere massive Einsparungen akzeptiert. Damals, um das Jahr 1830 herum, lautete der fromme Wunsch:
Wir wollen hoffen, daß die Französischen und Niederländischen Angelegenheiten sich friedlich schnell genug ausgleichen können, damit die Mächte daran denken können, die Griechische Frage abermals in Berathung zu ziehen und endlich zum Glücke des klassischen Landes zu lösen.

Damals ging es um die Juli-Revolution in Frankreich und die Einsetzung des Bürgerkönigs Louis-Philippe sowie die Abspaltung und Unabhängigkeit Belgiens vom Niederländischen Königreich nach massiven Unruhen in der Septemberrevolution. Am Peloponnes rangen die Griechen mit der politischen und militärischen Hilfe Frankreichs, Russlands und Großbritannien um eine Abspaltung vom Osmanischen Reich und die Ausrufung eines unabhängigen Staates. Im Londoner Protokoll vom 3. Februar 1830 wurde dann die Zukunft des modernen Griechenlands besiegelt. Allerdings hatte der erste Präsident, Ioannis Kapodistrias, keine glückliche Hand und wenig Rückhalt unter den Klans und Parteien des Landes. So wie er das Land ordnen, aufstellen und reorganisieren wollte, überforderte er viele Griechen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und Parallelen zum heutigen Ministerpräsidenten Papandreou zieht.
Die regierungstreue Allgemeine Preußischen Staats Zeitung jedenfalls formulierte es vor 181 Jahren so:

Ihre einzige Hoffnung beruht auf einer baldigen Entscheidung ihres Schicksals und der Wahl eines Regenten, in dessen Person sich das Vertragen Aller vereinigen lässt.

Seit Tagen steht der aktuelle "Regent" Papandreou mit dem Rücken zur Wand. Während das erste Staatsoberhaupt Kapodistrias zwar immer autokratischer regierte und später auch ermordet wurde, gibt es für ihn immerhin einen späten Ruhm. Er ist heute mit seinem Konterfei auf der griechischen 20-Cent-Münze vertreten. Ob Papandreou in Jahren oder Jahrzehnten einmal als der Staatssanierer des hoch verschuldeten Mittelmeerstaates angesehen wird und ob dann zwischen Korfu und Kreta noch mit dem Euro bezahlt wird, ist heute nicht absehbar. Er hat sich und seine Politik zwar erstmal per Vertrauensfrage zum weiteren Spar- und Finanzkurs absegnen lassen, nachdem er zuvor ein Sparpaket nach dem anderen durchgedrückt hatte. Doch noch ist seine Zukunft und die seines Landes ungewiss.
Da war es wohl etwas zu früh, dass Papandreou vor einem Jahr den so genannten "Quadriga"-Preis des politischen Vereins Werkstatt Deutschland erhalten hat. Grund für die Auszeichnung: die Neustrukturierung der Finanzpolitik und die Abwendung eines Staatsbankrotts in der Kategorie "Kraft der Wahrhaftigkeit".
Bei der Preisverleihung vor einem Jahr hielt Noch-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die Laudatio. Er hat dieser Tage auch mit am Tisch gesessen, als es darum ging, wie hoch ein griechischer Schuldenverzicht für die Banken sein kann. Dieses Ergebnis ist bekannt. Das der griechischen Staatsrettung steht derweil noch in den Sternen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort