Das Jahr der Selbstanzeigen

Trier · Mit dem Ankauf von Steuer-CDs aus Lichtenstein, Luxemburg und der Schweiz setzte vor vier Jahren in der Region ein Boom von Selbstanzeigen ein, der in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Auch ausgelöst durch die Verurteilung von Uli Hoeneß haben sich seitdem 1000 Steuerbetrüger beim Finanzamt gemeldet.

Trier. Viele Bundesbürger haben es jahrelang mit der Versteuerung ihrer ausländischen Erträge nicht so genau genommen. Nur selten hat das heimische Finanzamt von Zinsen, Dividenden und Auszahlungen erfahren. Doch seitdem 2010 die ersten CD mit den Daten ausländischer Banken und ihrer Anleger von den Finanzbehörden aufgekauft und ausgewertet werden, sind solche Steuerbetrügereien nicht mehr sicher. Denn zu den Pflichten eines deutschen Steuerbürgers gehört es, seine Erträge aus ausländischen Anlagen in Deutschland zu erklären.
540 Anzeigen in Monaten



Vor vier Jahren fühlten sich 174 Bürger aus der Region durch den Ankauf der Daten verpflichtet, sich mit einer Selbstanzeige (siehe Extra) beim Finanzamt zu melden. In den beiden kommenden Jahren wurde es dann allerdings ruhiger. Im vergangenen Jahr kam dann wieder Leben in das Verfahren. "Die Nachricht zu Uli Hoeneß und anderen Prominenten haben den Angstpegel wieder erhöht", sagt Jürgen Kentenich, Chef des Finanzamtes Trier. Vor allem spiele dabei sicher auch das gescheiterte Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland eine große Rolle, das Steuerhinterziehern einen weitgehenden Schutz vor Entdeckung geboten hätte. Mit der 540. Selbstanzeige in diesem Jahr ist nun die 1000. Selbstanzeige beim Finanzamt Trier eingegangen. "Das hat Nachzahlungen von 36,5 Millionen Euro erbracht", sagt Kentenich.
Damit liegt Trier im bundesweiten Trend: In Rheinland-Pfalz gab es allein in diesem Jahr laut Finanzministerium 3142 Selbstanzeigen, in ganz Deutschland waren es etwa 22 500.
Kentenich glaubt, dass die Luft für Steuerbetrüger noch dünner wird: "Das Ende des ,Geheimkontos\' naht. Die OECD-Staaten haben eine neuen Standard zum weltweiten Austausch von Steuerdaten beschlossen. Spätestens 2017 tauschen 65 Staaten, darunter auch die Schweiz und Luxemburg, und deren Banken automatisch die Finanzdaten der Bankkunden aus."
Nach seiner Ansicht hat auch die neue Weißgeld-Strategie der großen Banken in der Schweiz und in Luxemburg die Selbstanzeigen angetrieben. "Mit Informationsschreiben gehen die Kreditinstitute aktiv auf ihre Kunden zu und stellen sie vor die Wahl, entweder ihre Kapitalerträge ordnungsgemäß zu versteuern oder die Geschäftsbeziehung zu beenden."
Einige luxemburgische Banken verlangen von ihren Kunden sogenannte Steuerkonformitätsbescheinigungen und setzen dafür eine Frist bis zum Herbst 2014. Es scheint also, dass der Boom mit Selbstanzeigen noch lange nicht am Ende ist.Extra

Die Selbstanzeige macht eine Straftat nicht ungeschehen, sondern befreit nur von der Strafe. Der Täter gibt sein Fehlverhalten zu, der schuldhafte Verstoß gegen das Steuerrecht liegt also vor. Der Staat verzichtet allerdings auf eine Ausführung der eigentlich angemessenen Strafe - einerseits in Anerkennung des vollständigen Bekenntnisses, anderseits aus der praktischen Erwägung heraus, dass sich ein Großteil entsprechender Straftaten sonst nie nachweisen ließe. Eine moralische Rehabilitatierung des Täters wie nach einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens ist damit aber nicht verbunden. Ein Steuerhinterzieher bleibt ein Steuerhinterzieher, auch wenn er dafür nicht bestraft wird. Damit eine Selbstanzeige überhaupt wirkt, muss sie vor allem rechtzeitig beim Finanzamt angezeigt werden. Ermitteln bereits Fahnder gegen mutmaßliche Steuersünder, kommt die Reue zu spät, und die Selbstanzeige wirkt nicht mehr strafbefreiend. Gleiches gilt für die Vollständigkeit. Es genügt nicht, dass ein Steuerbetrüger sich nur teilweise oder scheibchenweise zu seinen Hinterziehungen bekennt. Alle Vergehen müssen rechtzeitig und vollständig erklärt werden. hw

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